Neofolk - Frühjahr/Sommer 2004 Neun Welten Valg (Auerbach Tonträger) MCD 3 Tracks, erscheint August 2004! Neun Welten - eine deutsche Neofolkband, die sich bislang vor allem durch vereinzelte Liveauftritte einen Namen machte. Mit der klanglich hervorragend produzierten MCD "Valg" hat sie nun drei lange Stücke eingespielt, die ausschließlich mit akustischen Instrumenten dargeboten werden. Geige, Flöte, Cello, Gitarre, Schlagwerk. Mitreißende Melodien, einschmeichelndes Zwischenspiel - keine Vocals. Flöte und Geige übernehmen hier den Part einer Erzählung, die einen verlorenen spirituellen Bezug zur Natur beschwört - und zwar weniger beklagt, aber vielmehr enthusiastisch zelebriert. Eine solche Reinkultur musikalischer Folklore hat man tatsächlich
lange nicht gehört. Hier wird aller pathetische und schwülstige
Ballast verworfen. Es zählt nur der reine Klang. Eine
wunderschöne, vereinnahmende und im besten Sinne verführerische
Scheibe, die leider viel zu kurz ist. Forseti Erde (Prophecy/Soulfood 2004) CD 11 Tracks Nicht zuletzt beim diesjährigen Wave-Gotik-Treffen in Leipzig hat die Erfurter Neofolkband Forseti um Andreas Ritter bewiesen, dass sie geradezu prototypisch für jene deutschsprachige Spielart akustischer Musik steht, die sich in den letzten Jahren großer Popularität erfreut. Und wie auf der letzten CD Douglas P. von Death in June einen Gastauftritt absolvierte, reihte sich hier die Prominenz dieses Genres: Ian Read singt seit Jahren wieder ein deutsches Lied, Kim Larsen von :Of the Wand and the Moon: und B'eirth von In Gowan Ring schließen sich an, und mit "Eismahd" wurde gleich ein Stück von Sonne Hagal gecovert, wobei deren Musiker durchweg präsent sind - und wer Sonne Hagal oder Forseti einmal live gesehen hat, wird wissen, dass diese Musiker ihre Instrumente wirklich beherrschen. Nach "Jenzig" und "Windzeit" könnte man die nun vorliegende "Erde" (durchaus im archaischen Sinne von Gaia zu verstehen) als Abschluss einer naturmystischen Trilogie werten, die in recht einfacher Lyrik die Beseelheit der Natur zelebriert. Die einzige Schwachstelle Forsetis war bislang Ritters etwas schwache Stimme, was auf "Erde" jedoch gut verarbeitet wurde: Wie einst Leonard Cohen lässt er sich von einer glasklaren Frauenstimme unterstützen - oder die Lieder werden gleich von Gastsängern vorgetragen. Uneingeschränkt positiv ist wiederum die grafische Gestaltung der CD zu beschreiben: Ritters düstere Naturbilder, die die Texte in schlichtem schwarzweißem Layout illustrieren, ergänzen die Klangwelt faszinierend. Forsetis "Erde" ist vielleicht kein Meilenstein des Genres, kann aber allen interessierten HörerInnen ans Herz gelegt werden. KatNik Lux Interna Ignis Mutat Res (Eis & Licht 2004) CD 11 Tracks Was sich bereits auf der ersten CD von Lux Interna aus den USA (ebenfalls Eis & Licht) abzeichnete, nimmt hier überzeugende Formen an: Die vierköpfige Folkband kombiniert sonore männliche Vocals, weibliche Akzente, eingängige Gitarrenmelodien und gelegentliche Pianoakkorde zu einem harmonischen Ganzen, das etwas an eine folkigere Variante des späten Nick Cave erinnert. Inhaltlich stehen dabei schwarzromantische und melancholische Motive im Vordergrund. Eine Schlüsselfunktion kommt Rilkes Gedicht "Lange musst du leiden" zu, in dem die Band ihrer Vorliebe für Engelsgestalten Ausdruck verleiht. In Erinnerung haften wird das hymnische "Horizon", in dem das gesamte Spektrum der Band zum Ausdruck kommt, und das bezeichnenderweise bereits auf dem Labelsampler "Eisiges Licht" vorkam. Die gediegene Covergestaltung mittels eines monochromen Fotos von Sängerin und Texterin Kathryn Gentzke blickt indes weit über die Genregrenzen hinaus und zeigt die Bemühung um das 'Gesamtkunstwerk'. "Ignis Mutat Res" ist somit eine rundum gelungene, verführerische Neofolk-CD. :ms: Novo Homo Private Hell (Hauruck/Tesco 2004) CD Aus der Wiener Hauruck-Schmiede kommt diese Solo-CD des Blutharsch-Live-Musikers Bain Wolfkind, der bereits auf einigen Compilationbeiträgen seine eigenwillige Version von Military/Bombast-Elektronik vorstellte. Das scheint zunächst nicht in die Neofolk-Abteilung zu passen, aber die Textlastigkeit seiner Lieder und einige akustische Akzente - sowie der kulturpessimistische Gestus der Texte - werden am ehesten Freunde in diesem Genre finden. "Private Hell" - mit einem 50er-Jahre-Pulp-Cover versehen - ist also zunächst einmal eines: "private". Texte, Metaphern und Sounds bleiben meist etwas kryptisch und eigenwillig, wenn sie auch immer wieder in bekannte Formen münden: Was mit neoklassischem Samplebombast beginnt, setzt seinen Weg über rituelle Trommeln fort bis hin zu minimalistischer Elektronik und akustischen Akzenten. Gut funktioniert das vor allem in Track 2: "The Singer who fell from Grace with the Song" (die Variation eines Mishima-Romantitels). Hier kommt alles zusammen: Die eigenwillige Phantasie von Wolfkind, elektronische Rhythmen und tragische Streichersounds. Präsentiert wird diese CD diesmal nicht im Digipak, sondern in einem Pappschuber. Wie gewohnt findet man kaum Informationen darauf, ist also ganz dem Klangwerk ausgeliefert. Für Fans des Labels auf jeden Fall interessant, an sich aber etwas unausgeglichen. CD Riharc Smiles The Last Green Days of Summer (Steinklang 2004) MLP 7 Tracks Auf den etwas merkwürdigen Namen Riharc Smiles hört diese Mittelalterformation, die mit Dudelsack, Akustikgitarre und anderen archaischen Instrumenten sowie einem euphorischen Männergesang ganz eigene kleine Hymnen auf Mut und ein dionysisches Lebensgefühl produziert. Man merkt dem druckvollen Folksound die Liveerfahrung der Musiker an, die sonst offenbar auf Mittelaltermärkten in der ganzen Welt aufspielen. Eingängig, gut produziert, hebt sich dieser kleine Tonträger wohltuend von den Mittelalter/Metal-Crossoverbands des Gothic-Mainstreams ab. (Wobei das Klavierstück Track 5 erstaunlich an vergleichbare Stücke von 18 Summers erinnert, aber das nur am Rande...) KatNik Lupercalia Florilegium (Equilibrium 2004) CD 13 Tracks In den barocken und reichen Ton des Zweitwerks von Lupercalia bricht immer wieder eine Disharmonie. Nicht die Musik ist es allerdings, die hier störend wirkt. Die Verortung zwischen Renaissance, Mittelalter und eben Barock ist gelungen, mit leichten folkloristischen Tönen kann man besonders mit einer ruhigen, fast meditativen Stimmung ein mediterranes Flair erzeugen. Vielmehr steht der Gesang als Antipode den einfachen, erdigen, Stimmungen gegenüber. Im weiblichen, überhöhten Sopran findet sich eine Künstlichkeit, die sich nicht ganz dem Werk einfügen will und befremdet. Der hohe Anspruch wird damit zum Stolperstein, eine weniger klassische Richtung im Gesang hätte dem Album mehr Luft und Raum gegeben, so entstehen Diskrepanzen, Reibungsmomente, die nicht in der Musik beabsichtigt sind. Ataraxia dürfte als funktionierendes Vorbild einer solchen gelungenen Liaison gelten, Lupercalia wirken dagegen etwas blass und bemüht, was angesichts der stimmungsreichen Musik schade ist. Martin Kreischer Kratong The Bees of Psychic Province (Wrotycz Records 2004) CD 9 Tracks 69 Minuten
Sturmpercht (Steinklang 2004) LP/CDr 8 Tracks Manchmal treibt die zeitgenössische Infantilisierung merkwürdige Blüten: Auf der Suche nach unerschöpften Bereichen neofolkloristischer Musik kommen wir nun hier an - im alpinen Jodeln, bei der albernen Parodie sogar, die vom eigenen Lachen über den krachledernen Witz überlagert wird... Die von einigen Compilations bereits bekannte Salzburger Formation Sturmpercht serviert hier einen Überraschungskorb voll mit österreichischen Schuhplattlern (fast), düstermartialischer Neoklassik-Skandierung, Jodelsamples, Neofolk und einer Death in June-Verballhornung: aus "Little Black Angel" wird in gut Österreichisch "Ein gebratenes Hähnchen"... Technisch und musikalisch herrscht äußerste Einfachheit, die nicht immer ins Gewicht fällt, jedoch die Frage aufkommen lässt: an wen richtet sich diese Platte eigentlich? KatNik
|
|