VORTEX

KALI YUGA

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CD, 11 Tracks im Digipack
Cyclic Law

Kulturepessimismus und Dystopien sind für keine der alternativen Musikströmungen mehr etwas Besonderes. Im infantilen Konsens gilt aller Ruhm dem, der am wenigsten durchblicken lässt, dass sein unreflektierter Pessimismus aus kläglichem Selbsthass resultiert.
Häufig werden esoterische oder spirituelle Lehren herangezogen, um sich eine gewisse Form der Gravität zu verleihen. Nahezu keine der verbreiteten Lehren geht allerdings von einem ultimativem Ende, sondern immer von Erneuerung aus, so auch die Geschichte vom Kali Yuga aus der hinduistischen Lehre der Zeitalter. Das Zeitalter des Streites und Niederganges, auch das „eiserne Zeitalter“, eine Phase des Chaos vor dem Großen Schlußpunkt und der folgenden Erneuerung.

In unserer heutigen Zeit ist es schwer für einen feinen, sensiblen Geist, nicht an allen Ecken und Enden nur noch Niedertracht und Elend zu erkennen. Frei nach Meister Burroughs ist der Verrückte wohl nur der, der gerade herausgefunden hat, was Sache ist.
Optisch schlicht in einer an alte Vinyl Klappcover erinnernder Pappülle gehalten, befinden sich im Booklet Bilder des Verfalls in erdigen kräftigen Brauntönen und ein paar Linernotes, die einem den Hintergrund des Ganzen so weit erschließen, dass man erstmal ungestört von Unbildung einfach drauflos hören kann.
Musikalisch machen Vortex auf diesem Album erneut vieles richtig, ein vielseitiges homogenes Konstrukt. Erstaunlich wenig nach Konserve klingendes Sounddesign, hier und da auch analoge Instrumente, Choräle und Mantras. Genau diese sinnliche, geradezu atavistische Herangehensweise ist auch ein Aspekt, der dieses Album heraustellt - aus oben benanntem elitärem Gewinsel. Voller Kraft und Energie geht es voran, wohin ist unklar, aber den Mutigen gehört schließlich die Welt. Und von diesem zwar melancholischen aber kraftvollem Mut ist erstaunlich viel zu spüren.

Man hat nicht das Gefühl, akustisch einem Albtraum beizuwohnen, eher einer besonnenen, gefassten Beobachtung. Einige Stücke, die sich im Besonderen mit dem Gift der Zivilisation befassen, haben einen durchaus stark beunruhigenden Charakter, wie etwa „Corruption“, dem aber, typisch für dieses Album, sofort „Martial Destiny“ das mitunter kraftvollste Stück entgegengesetzt wird. Der Preis der Existenz ist der ewige Krieg, (warum auch nicht, man kann sich an alles gewöhnen).

Die Welt funktioniert nicht, das System stirbt, man ist aber schlicht zu abgeklärt und zu besonnen um jetzt selbstherrlich die Apokalypse herbeizusehnen. Eine spannende Reise, deren Endpunkt niemandem bewußt sein wird. Viel Dunkel - aber auch Lichtblicke, beziehungsweise die feste Überzeugung, dass es weitergehen wird, so oder so. Die wilden, treibenden Stücke sind durchzogen von einer gewissen Vorfreude auf den großen Knall, der „Reinigung“, die solchen Kulturkatastrophen folgt. Hier schließt sich konzeptionell auch der Kreis zu den anderen beiden Alben, die sich mit Vortizismus und Futurismus beschäftigten, beides Strömungen die mit geradezu gewalttätiger Leidenschaft die Erneuerung von allem forderten.

Die besten Epen berühren einen ganzheitlich und man kann zumindest subjektiv behaupten, dies sei Vortex mit Kali Yuga gelungen. Ein sehr erwachsenes Stück Musik, sehr inspirierend.

Daniel Novak