Daniel Ekeroth

Schwedischer Death Metal

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(Index Verlag)

Musikbücher gibt es für so ziemliches jedes Genre. Unter dem Banner des Index Verlages (bzw. Prophecy Productions) sind bereits zwei der wichtigsten und auch spannendsten Musikbücher über Untergrundmusik erschienen: Lords of Chaos, die essentielle Abhandlung über Black Metal und seine turbulenten Anfänge, sowie Looking for Europe, die Historie des Apocalyptic Folk mit seinen exzentrischen Protagonisten. Ein solches Portfolio weckt Erwartungen.

Nun ist in diesem Verlag eine Abhandlung über den schwedischen Death Metal erschienen und kann sich rühmen, das bislang kompletteste Werk über dieses Subgenre zu sein. Kein Wunder, ist es bis dato auch die einzige Veröffentlichung, die sich dediziert dem Thema widmet. Bücher über Death Metal an sich gibt es bereits einige, besonders Choosing Death von Albert Mudrian und Mike Borrink sei hier als das Empfehlenswerteste erwähnt. Allerdings ist in dieser Publikation die schwedische Ausprägung nur ein Kapital unter vielen und Ekeroth hat es sich zur Aufgabe gemacht, Schweden eine eigene Veröffentlichung zu widmen. Dabei glänzt der Autor mit Insiderwissen und einer unglaublichen Detailfreude, es ist spürbar, dass er unbedingt seine Jugend aufarbeiten und über ein wichtiges Musikkapitel der Metal-Geschichte schreiben will, welches Ursprung und Inspirationsquelle für solche Bands wie In Flames, Dark Tranquility, Therion, Tiamat und Opeth ist. Aber dieser stark subjektive Blickwinkel macht auch die Lektüre zu einer anstrengende Angelegenheit, denn Ekeroth liebt es, sich im Kleinen zu verlieren, in Geschichten über Jugendliche, die sich irgendwo treffen, zechen, musizieren und dabei über das Phänomen Death Metal gestolpert sind. Da werden minutiös Line-Up-Veränderungen dokumentiert, wer wann bei welchen Songs mitgespielt hat und warum jenes Tape oder dieses Demo nicht viel Aufmerksamkeit erhielt. Das ist nicht immer sehr spannend zu lesen und dürfte nur absolut versessene Fans interessieren. Ekeroth verliert zuweilen den Blick fürs Ganze, er widmet sich zu sehr seiner Akribie und bricht dann unversehens im Jahre 1993 ab – kurz nachdem Death Metal seinen Höhepunkt erreicht hatte und sich schließlich sein eigenes Grab schaufelte. Der ganze Stil von Ekeroth ist ein wenig entzaubernd, es scheint, als sei der schwedische Death Metal durch Zufall entstanden. Ein paar ungewöhnlich brutale und „zermahlende“, wie die deutsche Übersetzung gerne schreibt, Alben wurden aufgenommen und das war es dann. Die Aura dieser Werke fängt der Autor nicht wirklich ein: warum Entombed den Linken Pfad beschritten und wie Tiamat zur sumerischen Mythologie kamen interessiert ihn leider nicht. Die Magie, die solchen Werken anhängt vertreibt er oftmals mit seinen Anekdoten über Banalitäten und seiner stellenweise geschwätzigen Art. Liest man das Buch, hat man das Gefühl, dass hinter Death Metal einfach ein paar besoffene juvenile Rowdies stecken, die zufällig ihre Instrumente tiefer gestimmt haben – das ist Schade und wird der Atmosphäre der essentiellen Alben einfach nicht gerecht. Dafür hat sich Ekeroth jedoch die unvorstellbare Mühe gemacht, alle schwedischen Bands in einem kurzen Portrait lexikalisch vorzustellen – und selbst schwedische Fanzines erhalten jeweils eine Kurzbeschreibung. Was bleibt ist ein Schmöker für Puristen, die alleine durch die Nennung solcher Werke wie Like an Everflowing Stream, Where no Life dwells oder Into the Grave feuchte Augen der Nostalgie bekommen. Genau diese erhalten einen manchmal etwas zu bewusst salopp geschriebene Zeitreise in ihre Jugendtage – wer allerdings eine tatsächliche Studie mit einem analytischen Blick über den (schwedischen) Death Metal sucht, wird hier leider nicht fündig.

Für Fans der Materie gibt es mit dem dazugehörigen Sampler jedoch einige wichtige Entdeckungen zu machen. Der Autor und damit auch Initiator des Samplers legt vor allem Wert auf unentdeckte Perlen und Demo-Material von Szenegrößen – hier zahlt sich die archäologische Seite von Ekeroth vollends aus. So gibt es rohe und archaische Fassungen von Songs der Bands Dismember, Tiamat oder Grave zu hören, aber auch echte Fundstücke wie frühe Songs von Merciless, Carnage und Grotesque sind vertreten. Die Entwicklung des Death Metal ist auf diesem Sampler klar nachvollziehbar, auch wenn leider Tracks von Johan Edlunds Prä-Tiamat Formation Treblinka fehlen. Besonders die zweite CD zeigt Glanz und Glorie des Death Metal, denn hier finden sich die wichtigsten Formationen wie Liers in Wait, Unleashed, Dissection, Edge of Sanity und die immer noch erhabenen und eigenwilligen At the Gates wieder, es ist die Periode kurz vor dem großen Death-Metal-Boom und damit auch die musikalisch ergiebigste Ära. Der Sampler folgt chronologisch dem Ablauf des Buches und ist daher zum parallelen Mitverfolgen geeignet, kann aber auch ganz eigenständig gehört werden. Einen besseren Überblick über das musikalische Vermächtnis der schwedischen Death Metal-Szene findet sich nicht.

Martin Kreischer