Paradise Lost

Faith Divide Us, Death Unite Us

(Century Media) CD, 10 Tracks

Die Rückkehr zu den Wurzeln – inzwischen scheint es das Heilsrezept für so manche Gothic-Metal-Band zu sein, die sich in den 90ern aufmachte, die Genrekonventionen einzureißen und nun nach mehr als zehn Jahren vor einer Szene stehen, die ebenso überaltert scheint wie sie selbst. My Dying Bride oder Moonspell sind hier zu nennen, vor allem aber Paradise Lost haben vorgelebt, was es bedeutet, ein Genre zu gründen, es zu transzendieren und am Ende doch ohne eine greifbare Identität dazustehen. Was einst als ruppiger, traditioneller Death Metal begann schwang sich Anfang der 90er auf mit den Alben Gothic und Shades of God, vor allem aber Icon und Draconian Times den Gothic Metal zu begründen und mit stilprägenden Merkmalen zu versehen. Der Wille zu mehr wurde den Briten zum Verhängnis: Mit One Second und vor allem dem durchwachsenen Eletro-Pop des Host-Albums verloren sie nicht nur ihre Fan-Basis sondern auch ihren ureigenen Sound. Es ist müßig darüber zu diskutieren, ob eine Band sich ständig selbst wiederholen muss – Katatonia beweisen eindrucksvoll, dass Evolution und Tradition sich nicht ausschließen müssen. Paradise Lost suchten nach Host verzweifelt ihren Platz in einer Pop-Welt, deren kurzfristiges Interesse an modernem Gothic Rock durch Formationen wie HIM und ihren zahllosen Epigonen befriedigt wurde – für die ursprünglichen Innovatoren des Genre blieb da nicht viel vom Kuchen übrig. So war damit zu rechnen, dass die Briten reumütig ins Lager der harten Klänge zurückkehren würden, denn hier scheint die Welt noch in Ordnung: Labels und Vertriebe sind zufrieden mit den durchaus ansehnlichen Umsätzen – Metal-Hörer sind Sammler und Käufer, keine File-Sharer, so zumindest der Konsens. In Requiem hieß die erste versöhnliche Geste in Richtung alter Hörerschaft. Doch es war ein blasses Album, nur ein Schatten des mächtigen Icon, es fehlten die Qualität und die songschreiberische Virilität gekoppelt mit einer morbiden Weltsicht, welche die Werke der frühen Neunziger so einzigartig machten. Nun erscheint mit Faith Divide Us, Death Unite Us also das nächste Album Post-Chartorientierung. Auch hier muss man zunächst einmal ernüchtert feststellen: Da fehlt es an Geist, an Haltung, an Seele. Da ist vieles wiedergekäut, bekannt und routiniert arrangiert. Was die Metalriffrestemaschine an Grobschnitt ausspuckt wird zusammengeballt in ein paar Songs, die mal in Richtung USA und Machine Head, mal in Richtung Schweden und In Flames schielen. Obligate Breaks, typische Mosh-Parts und quietschende Gitarrenhälse – man hat es oft gehört und es wirkt bei Paradise Lost fremdartig. Und doch: Es ist noch etwas da von der Band, die Icon erschaffen hat. Dann, wenn Greg Mackintosh endlich wieder diese weltschmerzenden Gitarrenharmonien auspackt, dann, wenn Nick Holmes endlich wieder seine Stimme tief vibrieren lässt, dann wenn alles zusammenfällt – dann sind da wieder Paradise Lost, wie man sie seit langem nicht mehr gehört hat. Faith Divide Us, Death Unite Us ist keinesfalls Gothic, Draconian Times oder gar Icon – aber es ist näher an dem, was die Größe von Paradise Lost ausmachte als alle Alben seit One Second. Was es noch braucht ist eine Abkehr von dem Versuch, modern-gemeinte Riffs zu integrieren und Nick Holmes Versuche die oberen Stimmlagen zu beherrschen sollte ebenfalls begraben werden. Paradise Lost machen auf ihrem mittlerweile zwölften Album Hoffnung, dass sie doch wieder zurückkehren können – All I want is a true believe.

Martin Kreischer