Keiji Haino/ Jim O’Rourke/ Oren Ambarchi

Imikuzushi

Label: Black Truffle Records, Medama Records
Format: 2xLP, CD
Veröffentlichung: 2012

Musikalische Gipfeltreffen haben Tradition. Nicht erst Al Di Meoloas, John McLaughlins und Paco de Lucias gemeinsames Jahrhundert Konzert in San Francisco 1980 (das ein Jahr später unter dem Titel „A Night in San Francisco“ veröffentlicht wurde) hat die Gesetzmäßigkeiten der kreativen Multiplikation definiert. Und doch wurde dort eine Form der kollektiven Improvisation etabliert, welche Joe Satriani und Steve Vai in plakativerer Form in den jährlichen „G3“-Gitarren-Spektakeln weiterführen, die ihren Weg aber auch in den musikalischen Untergrund gefunden hat. Gerade in der Noise- und Experimental-Szene sind die Live-Kollaborationen und Improvisations-Konzerte zum Genre-Charakteristikum geworden. Meist als einmalige Ereignisse inszeniert, werden diese aber zuweilen auch in Aufnahmen festgehalten und nachträglich als Dokumente dieses Momentes veröffentlicht. Die Experimental-Schwergewichte Keiji Haino (Gitarre), Jim O’Rourke (Bass) und Oren Ambarchi (Schlagzeug) pflegen jene Tradition gewissenhaft und legen mit „Imikuzushi“ bereits die dritte gemeinsame Kollaboration vor. Seit 2009 treffen sich die Drei einmal im Jahr zu einem gemeinsamen Konzert in Japan (die letzten beiden fanden im SuperDeluxe in Tokio statt).

„Imikuzushi“ gestaltet sich nicht nur personell, sondern auch ästhetisch als ein wahrer Hybrid. Im Spannungsfeld zwischen Noise-Rock, freier Improvisation und Psychedelic wüten Haino, O’Rourke und Ambarchi ohne Rücksicht auf Grenzverletzungen durch die Genres. Ambarchi, der eigentlich vor allem durch seine minimalen Ambient-Alben mit Solo-Gitarre bekannt geworden ist, gibt den Stücken durch ein repetitives und pulsierendes Schlagzeugspiel die Form vor. Stoisch prügelt er durch die Jams, die jeweils eine ganze LP-Seite ausfüllen. Multiinstrumentalist O’Rourke (von 2000-2005 festes Mitglied bei Sonic Youth) orientiert sich mit seinen Bass-Läufen am Schlagzeug und verleiht den Kompositionen gleichzeitig einen treibenden Groove sowie eine hypnotische Grundstimmung. Über diesem Fundament entwickelt Extrem-Gitarrist Haino nun seine wilden Noise-Eskapaden. Verzerrung, Feedback, Atonalität und eine sehr gestische Spieltechnik bestimmen den Sound. Während er zu Beginn des Konzerts/Albums sehr aggressiv startet und seine Mitmusiker unter seinen an Sonic Youth geschulten Ausbrüchen begräbt, lässt er ihnen im Folgenden mehr Raum, der erst am Ende wieder mit dichten Gitarren-Wänden überlagert wird. An einigen Stellen setzt Haino auch seine mal gesungene, mal geschriene oder auch geflüsterte Stimme ein.

Das Album ist von Black Truffle-Records und Medama-Records als Gemeinschaftsveröffentlichung herausgegeben und liebevoll gestaltet. Die Innenhüllen der LPs sind mit großformatigen Hochglanzfotografien verziert und auch das schwarz-weiße Cover-Artwork mit drei in ein Holzbrett gespießten Messern repräsentiert das Album großartig. Stilistisch zwischen Sonic Youth, Can und expressivem Noise, begeistert „Imikuzushi“ auch nach mehrfachem Hören und glänzt durch eine authentische und rohe Akustik. Eine schöne Veröffentlichung.

Patrick Kilian