Combat Shock

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Label: '84 Entertainment
Laufzeit: 93 Min. (Dir. Cut), 88 Min. (US-Kinofassung), 95 Min. (Extended Version)
Regionalcode: 2
Produktionsjahr: 1984
Produktionsland: USA
Regie: Buddy Giovinazzo
Bildformat: 1.33:1 (4:3 Vollbild)
Ton: Deutsch, Englisch (DD 2.0)
Untertitel: Deutsch
Extras:
Audiokommentar und Booklet von Dr. Marcus Stiglegger,
Interviews, Kurzfilme, Dokumentation, Audiokommentar von Buddy Giovinazo & Jörg Buttgereit (US-Fassung), Trailer, Poster u.a.

In den achtziger Jahren war im amerikanischen Kino die große Welle sogenannter „Home-Coming-Movies“, also Filme, die sich mit den Traumata heimkehrender Vietnamsoldaten beschäftigten, weitestgehend vorüber. Bedeutende Vertreter wie Taxi Driver, The Deer Hunter oder First Blood hatten dem Publikum erschütternde Bilder vom Innenleben gescheiterter Existenzen vermittelt. Der Krieg sitzt im Kopf und wird von dort auf die Straßen getragen – in einem Amerika, das eine ganze Generation seiner Kinder in jenen Krieg geschickt und dort verloren hat.

Buddy Giovinazzos Regiedebut Combat Shock (a.k.a American Nightmares) gehört im Kontext seines zeitlichen Entstehungsrahmens, 1984, in die Riege jener Filme, die sich dem Thema 'heimgekehrte, traumatisierte Soldaten' mit einer nicht zu übersehenden Zitierfreudigkeit nähern. So weist sich Combat Shock nach der berühmten Einleitungssequenz stilistisch rasch als Kind des New-Hollywood-Kinos der siebziger Jahre aus. Ikonographische Zeitbilder die den einsamen, heimatlosen, ziellos umherwandernden Menschen inmitten einer dreckigen, gewalttätigen Großstadt zeigen, erinnern nicht von ungefähr an Scorseses Taxi Driver. Zusätzlich durchwebt Giovinazzo seine mise-en-scène aber auch mit der gerade für die achtziger Jahre typischen Formal-Ästhetik von New Yorker Underground-Filmern wie Richard Kern sowie – vor allem in der erwähnten langen Anfangssequenz des Films – mit Elementen der damals sehr erfolgreichen Welle von 'Vietnam-Revisited-Kriegsfilmen' (bekannte Beispiele wären hier Joseph Zitos Missing in Action oder George P. Cosmatos Rambo – First Blood Part 2), in deren Zentrum ein stereotyper, ur-amerikanischer Übersoldat steht, der, stellvertretend für sein Land, den Krieg wenigstens auf der Leinwand letztlich doch noch gewinnt. So gesehen ist Combat Shock im formalen Sinn durchaus ein Hybrid aus Querverweisen auf die jüngere amerikanische Filmgeschichte.

Im Zentrum der Handlung steht der Vietnamveteran Frankie Dunlan (gespielt von Rick Giovinazzo, dem Bruder des Regisseurs). Traumatisiert, arbeitslos und ohne Hoffnung lebt er zusammen mit seiner Frau und ihrem missgebildeten, gemeinsamen Baby in einer schäbigen Wohnung in New York. Ein Tag, der stellvertretend für alle anderen in Frankies Nachkriegsleben steht, ist die erzählte Zeit im Film. Am Beginn steht die Dekonstruktion kinematographischer Heldenbildung – ein böser Kommentar auf die kommerzielle Verklärung des Krieges, wie es der Actionfilm o.g. Prägung tut. Mit Blick auf das damalige Publikum zielt Giovinazzo bewusst auf Erwartungshaltungen, um sie kurz darauf umso radikaler zu brechen: etwaige Beifall erheischende Glorifizierungen werden zu Schocks, Helden gibt es nicht mehr, und Patriotismus wird zum Alptraum, aus dem man schreiend erwacht – „American Nightmares“. Was als Umkehr von filmischem Pathos beginnt, endet mit dem Abgesang auf das Idealbild der heilen amerikanischen Familie, die – so zeigt es der Film – nach Vietnam nicht mehr existiert. Ganz in der Tradition genannter Vorbilder aus dem New-Hollywood-Kino ist Combat Shock in diesem Kontext eine Ironisierung amerikanischer Mythen. Der sprichwörtliche Tellerwäscher, der es durch harte und zielstrebige Arbeit zum Millionär schaffen kann, bleibt, in Anbetracht der im Film gezeigten Menschenschlangen vor den Arbeitsämtern, ohne Hoffnung auf Hilfe von außen. Der Feind ist nicht in Vietnam, sondern überall, und offenbart sich letztlich – und das ist die düstere Konklusion des Films – in der eigenen Familie und in einem selbst.

Buddy Giovinazzo (No Way Home; Life is hot in Cracktown) hat mit Combat Shock einen der bekanntesten und berüchtigsten Beiträge zum amerikanischen Independent-Kino der achtziger Jahre geschaffen, der durch die Kultfirma Troma landesweit vertrieben wurde. In Deutschland war der Film bislang lediglich in einer stark gekürzten VHS-Version zu erwerben. '84 Entertainment macht dem deutschen Publikum daher den Film zum ersten mal in einer mehr als würdigen Heimauswertung zugänglich. Optisch passt das mit drei Discs bestückte Set exakt zu den anderen Veröffentlichungen der Mediabook-Reihe des Labels und präsentiert sich mit dem bekannten Hard-Body-Motiv auf dem Cover, das natürlich – obgleich gut geraten – für den Film nicht repräsentativ ist. Jede der drei DVDs enthält eine andere Schnittfassung des Films und sehr reichhaltiges, individuelles Bonusmaterial, das teilweise von der amerikanischen Troma-VÖ übernommen wurde. Der eigens für die deutsche Ausgabe produzierte Audiokommentar sowie das umfangreiche und bebilderte Booklet (beide von Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger) sind hierbei aufgrund ihres hohen Informationsgehalts zwei besondere Anreize zum Kauf. Der Film selbst wird in angemessener Form dargeboten. Die Ästhetik des 16mm-Materials bleibt wohltuend erhalten und auch der Ton überzeugt vollkommen.

Sammler müssen bei dieser VÖ einfach zugreifen. Denn die Möglichkeit, den Film zum ersten mal in einer solch gelungenen Präsentation zu erwerben, hat es bislang nicht gegeben. Fans von Buddy Giovinazzo werden ohnehin wissen, was sie an einem Klassiker wie Combat Shock haben. Allen anderen sei die Wiederentdeckung dieser Independent-Perle wärmstens ans Herz gelegt.

Kai Naumann