Coil (remixed by Black Sun) - Plastic Spider Thing
(Threshold House 2002) 18 Tracks

Während der populäre Mythos der „Schwarzen Sonne“ im Schaffen einiger Musikgruppen auf weltanschaulich oft zwiespältigem und problematischem Hintergrund ein Rolle spielt, taucht immer wieder eine zumindest zweideutig codierte sexuelle Motivik auf, die die „Schwarze Sonne“ mit analer Sexualität koppelt. So machte die britische Band Coil nie einen Hehl aus ihrem gleichwertigen Interesse für Homosexualität und Spiritualität und produzierte bereits mit der ersten Single How to Destroy Angels eine Musik, die rituell „männliche Sexualenergie wecken“ soll. Die spätere Maxi The Anal Staircase lässt dann in einer Fotomontage die titelgebende Wendeltreppe direkt in einen Anus übergehen. Direkten Bezug zum Mythos der „Schwarzen Sonne“ bildet das mit der ersten LP Scatology 1984 eingeführte Bandsymbol (der „Coil-Stern“), der eine Schwarze Sonne als Kombination aus einem Pentagramm sowie organisch-welligen ‘Fältchen‘ präsentiert.

Auf der späteren CD-Veröffentlichung wird dieses Emblem direkt mit einem androgynen nackten Hintern abgebildet. Auf der selben Platte findet sich auch der rituelle Song „Solar Lodge“, der eine Mischung aus Charles-Manson-Motiven und Beschwörung der Schwarzen Sonne darstellt (wobei hier nicht die Symbolik der Wewelsburg gemeint ist): „See the Black Sun rise / In the Solar Lodge // See the Black Sun rise / From the Solar Lodge...“

Der Kunsthistoriker Tim O’Neill berichtet von einem transkontinentalen Ritual, das John Balance von Coil und die amerikanische Performance-Künstlerin Kristine Ambrosia 1985 in London und San Francisco durchführten, um in einer Beschwörung der Schwarzen Sonne ungeahnte Energien und Visionen zu entfesseln und für sich und ihr Publikum nutzbar zu machen (http://brainwashed.com/coil/writings/gnosis.html). Geht man davon aus, das sich die erkaltete Schwarze Sonne grundsätzlich auf dem Weg zur Antimaterie befindet, leuchtet die Koppelung mit analer Symbolik ein: glühend und doch finster, unergründlich, tabuisiert und doch ein ‘Key of Joy‘, eine ‘Downward Spiral‘ und Wendeltreppe in den Abyss.

Die nun vorliegende CD Plastic Spider Thing dokumentiert darauf basierend eine rituelle Performance der Modern-Primitives-Gruppe Black Sun Prod., die die Musiker auf zahlreichen Coil-Auftritten unterstützten und hier Sounds und Fragmente der gesamten Bandgeschichte von Coil zu einem düster-pulsierenden Klangwall mischen. Fotos der körperkultischen Performance und unterschiedliche Inkarnationen des Schwarzen Sonnensymbols schmücken das Cover. Dieses Tondokument ist sicher nichts für ‘Einsteiger‘, es schließt aber nahtlos an die magisch-rituellen Klangwelten der Gruppe an. Wer sich mit Grenzerfahrungen beschäftigt, wird an diesem Plastic Spider Thing seine Freude haben.

Maria Nicoli