Butz Peters

Tödlicher Irrtum
Die Geschichte der RAF.

Berlin: Argon. ISBN 3-87024-673-1, 864 Seiten, € 24,90.

Aktenzeichen ungelöst

Der zerbombte Mercedes von Alfred Herrhausen, ein Foto von Baader nach seiner Festnahme 1970 und das Bild Meinhofs, das nach Baaders Befreiung ihren Steckbrief zierte. Auf dem Cover von Butz Peters Geschichte der RAF („Tödlicher Irrtum“) fällt vor allem Meinhofs melankolisch-depressiver Blick ins Auge. Andreas Baader und Ulrike Meinhof – in der Öffentlichkeit stehen sie noch immer für die Rote Armee Fraktion.

Auch 34 Jahre nach dem Sprung in den Untergrund und 7 Jahre nach der Selbstauflösung nimmt das Interesse der Öffentlichkeit nicht ab. Auch wenn Christopher Roths Film BAADER (2002) floppte: Jedes Jahr erscheinen unzählige Bücher, die sich mit der Chiffre RAF auseinandersetzten und die immergleichen Bilder wieder und wieder zum kollektiven Gedächtnis der Post-APO-Zeit erklären. Allein zur Geschichte der RAF sind 2004 zwei Bücher erschienen, für 2005 ist bereits ein weiteres angekündigt.
Butz Peters rekonstruiert die Geschichte der RAF aus 250 Urteilen, Schilderungen ehemaliger RAFlern und Fahndern, RAF-Papieren sowie Unterlagen des Bundeskriminalamts, der Bundesanwaltschaft und des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Dadurch erscheint das Buch in erster Linie als eine Zusammenstellung bereits Bekanntem. Es ist daher vor allem für diejenigen geeignet, die sich bisher nicht mit der RAF beschäftigt haben und in diesem Buch einen ersten Überblick suchen.

Die Geschichte der RAF ist eine Geschichte über drei Generationen. Die Gründerväter und vor allem –mütter Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof sind Synonym und Bildikone für diese erste Generation. Auch die Baader-Befreiungs-Gruppe der 2. Generation um Brigitte Mohnhaupt, Peter-Jürgen Boock, Christian Klar oder Inge Viett (zunächst Bewegung 2. Juni) ist bekannt. Über die 3. Generation hingegen lässt sich mit Brecht sagen: „Die im Dunklen sieht man nicht“: Bis heute liegen kaum gesicherte Erkenntnisse über die letzten RAF-Terroristen vor. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Peters sich vor allem an den ersten beiden Generationen abarbeitet.

Das ganze ist sehr journalistisch aufbereitet. Zuweilen hat man den Eindruck, dass ganze Passagen recht rasch zusammengeschrieben wurden. Peters hangelt sich dann sehr stark an den Originalquellen entlang. Das mag ja bei den zitierten RAF-Texten noch angehen, problematisch wird dies jedoch, wenn er andere Quellen (z.B. Aussagen von Thorwald Proll) ausführlichst zitiert, jedoch nicht angibt, worauf er sich bezieht. Das kann man dann zum Teil nur anhand der Literaturangaben hinten im Buch erahnen. Kritisch aufgearbeitet wird das Material ebenfalls kaum.

List man das Buch komplett durch, so fallen viele Redundanzen auf. Immer wieder werden Namen und Ereignisse erklärt. Aber vielleicht muss man wirklich fragen, wer die 750 Seiten + 70 Seiten Fußnoten komplett liest. Nutzt man den Band als Nachschlagewerk, so erleichtern diese Redundanzen sicherlich das Verständnis einiger Zusammenhänge.

Auf 750 Seiten werden fast 40 Jahre Zeitgeschichte und drei Terroristen-Generationen abgehandelt. Vieles muss da etwas oberflächlich bleiben, aber einiges bleibt zu oberflächlich. Das fällt vor allem bei den sehr umstrittenen Punkten (Tod in Stammheim, Bad Kleinen) auf.

Für diejenigen, die einen ersten Überblick über die Geschichte der RAF suchen bietet der Band eine Fülle an gut zu lesenden Informationen. Ein ausführliches Stichwortregister und eine feingliedrige Gliederung ermöglichen das Nachschlagen bestimmter Ereignisse.

Christian Hißnauer