Sturmovik

Schwarzer Tau

(Tesco 2005) EP 6 Tracks

Mitte der 1990er Jahre begründete die französische Klangkunstformation Les Joyeaux de la princesse einen speziellen Stil der Ambientmusik, die es sich zur Aufgabe machte, bestimmte Momente der Geschichte in auditiven Stimmungsbildern vor dem inneren Auge des Betrachters auf auditivem Wege zu beschwören. Man könnte diese Form der Ambientmusik als 'Historical Ambient' bezeichnen. Über die Jahren haben sich einige Bands auf diese thematisch orientierte Form der Ambientmusik spezialisiert: Toroidh mischten dazu historische Tondokumente mit akustischen und elektronischen Sounds, Axxon Neuron/Vagwa und Stahlwerk 9 bedienen sich primär elektronischer Flächen, und Les Joyeaux haben sich inzwischen fast ganz auf die Repoduktion histroischer Tondokumente verlegt.

Vor einigen Jahren tauchte auf dem Tesco-Label eine mysteriöse Gruppe mit dem russischen Namen Sturmovik (eine Bezeichnung für ein russisches Kampfflugzeug) auf, die mit den noisigen Akzenten des Postindustrial ihrerseits historische Stimmungsbilder evozierten - wenngleich hier dem Namen gemäß ein deutlich martialischer Aspekt in den Fokus trat. Die nun vorliegende zwei EP kann bereits als eine Art Testament des Projekts betrachtet werden, denn die Aufnahmen entstanden über die letzten Jahre hinweg und erscheinen zu einem Zeitpunkt, zu dem Sturmovik selbst nicht mehr existiert.

Es beginnt monumental mit den dunklen Noiseflächen von "Flammender Morgen", einer apokalyptischen Ouvertüre, die wohl auf die folgende Thematik (dem Inlay nach zu urteilen den 1. Weltkrieg) vorbereiten soll. "Feuerharfe" ist dann zusehends rhythmisch gestaltet und bringt rituelle Aspekte in die Musik ein. Erinnerungen an Bands des Loki-Labels werden wach, wenngleich der Sound von Sturmovik betont grummelig und dumpf bleibt, womit er dem finsteren Thema Rechnung trägt. "Schicksalshain" ist dann eher filigran mit klassisch-orchestralen Streicherloops gestaltet, zu denen eine jenseitige Stimme rezitiert.

Seite zwei lässt sich dann durchweg der Darkambientmusik zurechnen: "Requiem" bleibt bedrückend, langsam, schwermütig. Wieder werden Streicher eingesetzt. Erst bei "Im Splitterhagel" kommen verfremdende elektronische Elemente dazu, die dem brachialen Titel etwas Zeitlupenhaftes beimessen. "Kein Weg zurück" bleibt dann als pessimistischer Nachhall, wieder durchsetzt mit finsteren Vocals.

Aus der Beschreibung geht bereits hervor, dass "Schwarzer Tau" eine Platte für Spezialisten ist, immer auf der Suche nach abgründigen und beklemmenden Sphären, um die Untiefen des menschlichen Wirkens zu erkunden. Zu diesem Zweck eignet sich diese minimalistisch aber passend gestaltet EP hervorragend. Normalverbraucher sind vermutlich bis hier nicht erst vorgedrungen...

cd