Gerhard Bühler

Postmoderne auf dem Bildschirm – auf der Leinwand
Musikvideos, Werbespots und David Lynchs WILD AT HEART

412 Seiten, Gardez! Verlag, ISBN 3-89796-034-6, 33 Euro

In den letzten Monaten mehren sich die deutschsprachigen Publikationen zur Postmoderne in Kino, Video und Fernsehen. Und allen Büchern ist gemeinsam, einen Mangel an Fachliteratur zu diesem Thema zu beanstanden, um dann erfolgreich diese Lücke schließen zu wollen. Zuletzt machte Jürgen Felix wesentliche Texte zum Thema in einem Reader des Schüren-Verlages zugänglich. Zu den Schlüsselfiguren zählen hier immer wieder die Franzosen Jean-Jacques Beineix, Luc Besson, der Engländer Peter Greenaway und die Amerikaner Joel Coen und David Lynch. Und vor allem Lynch hat es den Analysten angetan, denn seine Märchenwelten aus BLUE VELVET und WILD AT HEART sind übervoll an filmhistorischen Querverweisen, populärkulturellen Bezügen und ironischen Künstlichkeiten. Der mit der vorliegenden Arbeit promovierte Kunsthistoriker Gerhard Bühler (*1959) bewegt sich also in gewisser Weise auf vertrautem Terrain mit seinem umfangreichen Werk, das thematisches Standardwerk und Einzelanalyse zugleich sein möchte.

Da werden die Vordenker und Theoretiker wie auch die wesentlichen künstlerischen Vertreter der Postmoderne vorgestellt, da werden seitenlange Definitionen und medienhistoriusche Exkurse zum Werbefernsehen ausgeführt, Werbeclips in all ihren handwerklichen und stilistischen Eigenarten durchleuchtet. Bereits für den an Werbespots Interessierten bieten die zahlreichen Einzelanalysen einiges an Material. Mit ca. 100 Seiten wird das Musikvideo am ausführlichsten besprochen. Auch hier finden sich Exkurse bis in die Frühzeit des Experimentalfilms zu den Versuchen Oskar Fischingers etc. Später kommt auch Kenneth Anger zu Ehren. Auf S. 192ff. folgte eine Auflistung und Kurzbeschreibung wegweisener historischer Videoclips – auch dies ein brauchbare Quelle. Die Einzelanalysen weisen eine repräsentative Bandbreite von Madonna über Rammstein bis zu Will Smith auf. Nach dem Spielfilmkapitel, das sich vor allem auf WILD AT HEART, AUSSER ATEM und ATEMLOS konzentriert, fasst Bühler seine Erkenntnisse noch einmal systematisch zusammen und bietet einen Ausblick auf künftige Entwicklungen.

Es bleibt erstaunlich, dass eine solche Analyse wie die vorliegende von WILD AT HEART tatsächlich nicht den eigentümlichen, irrationalen Reiz erklären kann, den Lynchs eigentlich alberner Film noch heute auszuüben vermag. Die metareflexiven Verweise sind es wohl eher nicht, was Liebende immer wieder dazu bringt, sich mit „Sailor und Lula“ (oder „Mickey und Mallory“) anzusprechen. Bei einer Länge von 33 Seiten kann man dieser Beispielanalyse auch leider nicht den Charakter eines „Herzstückes“ zuweisen, der das Buch für Lynch-Verehrer interessant machen würde.

Die einleitenden Kapitel bieten einen für Studierende der Geistewissenschaft brauchbaren Einblick in die Theorien der Postmoderne, doch grundsätzlich muss man sagen, dass eine solche Promotion konsequenter für eine Veröffentlichung überarbeitet werden müsste. Zahlreiche Kapitel sollten inhaltlich gestrafft werden, die endlosen Videoclip-Analysen sind beim kontinuierlichen Lesen schlicht ermüdend und in einigen Fällen überflüssig. Der Verlag hat bereits ein zweite Auflage mit verbesserter Fotoqualität angekündigt. Wenn dafür die Hälfte des Umfangs wegbliebe, hätte man eine wirklich hervorragende Einführung in den Themenkomplex Postmoderne in der Hand...

Christoph Donarski