NIMON

The King is Dead

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Label: Ant-Zen
Format: CD
Veröffentlichung: 10. April 2014

Tracklist:
1. when a home is no longer anyone’s home, 2. never enough time, 3. suppression, 4. the weight of inevitability, 5. a box of old photographs, 6. integrity, 7. these old bones, 8. free at last, 9. something i’ll never forget, 10. a pond in wales, 11. internalising an explosion, 12, the end of days...

„Der König ist tot – Es lebe der König“ – als performativer Aufruf stiftet diese sprachliche Geste dynastische Kontinuität. Während der leibliche Körper des Königs stirbt, bleibt sein zweiter, immaterieller politischer Körper intakt und geht auf eine andere Person über. So jedenfalls die Interpretation des Historikers Ernst Kantorowicz, der diese Vorstellung in seiner wegweisenden Studie „The King’s Two Bodies. A Study in Mediaeval Political Theology“ (Princeton 1957) entwickelt und systematisiert hatte. Der britische Soundkünstler Keef Baker hat sich dieser Thematik gewidmet und veröffentlicht nun zeitgleich die beiden Alben „The King is Dead“ (CD) sowie „Long Live the King“ (Download). Nicht nur die unmittelbare Gleichzeitigkeit, sondern auch die Tatsache, dass „Long Live the King“ lediglich in digitaler d.h. immaterieller Form erscheint, nimmt direkt Bezug auf Kantorowicz’ Modell und reflektiert dieses medial. Die Unmittelbarkeit des Übergangs zwischen körperlicher CD und entkörperlichtem Soundfile, bilden ein Paradigma unserer medialen Gegenwart, das je nach Perspektive einmal als Tod und einmal als Wiedergeburt betrauert bzw. gefeiert wird. Beide Alben verarbeiten zudem den Tod von Bakers Mutter und erhalten dadurch zudem eine sehr persönliche Dimension, die der Hörer auch in jedem Klang zu erahnen scheint.

„The King is Dead“ soll hier stellvertretend für beide Veröffentlichungen diskutiert werden, und nimmt bereits nach den ersten Klängen voll in seinen Bann. Im Booklet ist notiert, dass das gesamte Werk lediglich mit einer Fender Stratocaster, digitaler Nachbearbeitung und Klang-Manipulation gearbeitet wurde. Die konsequente Reduzierung auf ein Instrument steht hierbei in Einklang mit dem kompositorischen Minimalismus, der in einem Referenzsystem zwischen Brian Enos „Ambient 1: Music for Airports“ (1978) und William Basinsikis „The Disintegration Loops“ (2002ff) verortet werden kann. In ruhig pulsierenden Ambient-Schleifen schweben die Klänge durch das Album und über das gesamte Frequenzspektrum hinweg. Die dabei entstehende Stimmung ist ausgeglichen meditativ, was bereits im Frontcover des Artworks antizipiert wird. Die Fotografie dieses menschenleeren Meeresufers lässt sich jedoch noch vor einem anderen Hintergrund lesen: Am Ende seines 1966 veröffentlichten Buches „Die Ordnung der Dinge“ schrieb Michel Foucault mit Blick auf einen möglichen wissenschaftlichen Paradigmenwechsel seiner eigenen Gegenwart: „... der Mensch verschwindet wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand.“ Konfrontiert man dieses Bild mit Kantorowicz’ unsterblichen und doch unsichtbaren Körpern so faltet sich ein Reflexionsraum auf, zu dem sich Nimons „The King is Dead“ als Soundtrack imaginieren ließe.

„The King is Dead“ und „Long Live the King“ bilden ein vielschichtiges Werk, das mediale wie anthropologische Diskurse gleichermaßen reflektiert und in ein sehr persönlich und künstlerisch-subjektives Koordinatensystem einpasst. Ebenso vielseitig kann dieses Werk zwischen materieller und immaterieller Musikkultur, zwischen CD und Soundfile, und zwischen den zwei Körpern des Königs rezipiert und erschlossen werden. Große Empfehlung!

Patrick Kilian