Neoklassik und Folk Neuigkeiten Frühjahr 2007

Von Christoph Donarski

The Moon and the Nightspirit

Regõ Rejtem

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(A5 Digipak CD 2007, Equilibrium Music)

Heavenly Voices sind nicht jedermanns Sache, und die Zeiten, in denen sich Frauenstimmen im düsteren Folk größerer Beliebtheit erfreuten, liegen Jahre zurück, bei Ordo Equitum Solis etwa. An deren mittelalterlich verspielte Folkmelodien erinnert auch der zweite Tonträger des ungarischen Duos The Moon and the Nightspirit, wenn man deren Sängerin auch versiertere Sangeskünste bescheinigen muss. So bietet diese Mischung ungarischer Texte, beschwingter Rhythmen und folkiger Akustik inhaltlich vor allem Einblicke in eine Welt der Sagen und Legenden, die auf dem liebevoll gestalteten A-5-Digipak auch visuell gut zur geltung kommen (mit Illustrationen von Agnes Toth). Man setzte sich für diese Aufnahmen mit ungarischem Schamanismus auseinander und wird zweifellos zahlreiche romantisch Neuheiden mit den hervorragend produzierten Klängen verzaubern können...

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Dwelling

Ainda è Noite

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(Equilibirum 2007) CD 11 Tracks

Dwelling, die bei :Ikonen: bereits umfassend gewürdigt wurden, sind so etwas wie die Hausband des Portugiesischen Labels Equilibirum, das sich vor allem um Neoklassik, Folk und Military Pop bemüht.

Traditionell verhaftet im portugiesischen Fado-Gesang, entfernt man sich auf der aktuellen, stilvoll präsentierten CD noch mehr von den Klischees des Gothic- und Neofolk-Genres und taucht tief in die sinnliche Klangwelt jenes Landes ein. Das Ergebnis hat durchaus poppige Qualitäten, wenn es auch melancholisch und vielschichtig erscheint, musiklaisch getzragen von gekonnt gezupften Gitarrenakkorden und elegischen Streichern. Eine sehr erwachsene Platte, die ästhetisch und inhaltlich an ein offenes und gebildetes Publikum appelliert, das seine Abende gerne bei einem gepflegten Glas Rotwein verbringt.

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Elend

A World In Their Screams

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(Prophecy 2007) CD

Erschien die multinationale und stilistisch schwer definierbare Formation Elend immer schon als prototypische 'neoklassische Avantgarde', wenn dieser Widerspruch ins sich erlaubt ist, ist man künstlerisch nie weiter gegangen als bei diesem Werk. Bereits im ersten Stück erringt das Album apokalyptische Soundtrackqualitäten, wartet mit Orchester, Stimme und Elementen der musique concrète und des Industrial auf. Über 30 Musiker wurden hier beschäftigt, und emotional erforscht man Ebenen, die bislang allenfalls einer Diamanda Galas vorbehalten waren.

Das deutet bereits an, dass "A World in Their Screams", der Abschluss der Winds-Trilogie, die mit "Winds Devouring Men" und "Sunwar the Dead" begonnen hatte, kein leichte Kost ist, im Gegenteil: Nebenbeiberieselung ist unmöglich, hier spielt sich großes Kino ab. Zermürbende Passagen, Euphorie und Pathos, aber auch bestechende Atmosphären, die den geneigten Hörer in unberechenbare Zustände versetzt. Man sollte also weniger an Wagner, denn an Bartòk und Penderecki denken bei diesem Soundtrack für das Inner Cinema.

Ein wahrhaft großes Werk, das vielen sehr anstrengend erscheinen wird, doch es lohnt sich, die Herausforderung anzunehmen. Die gesamte Trilogie kann als einzigartige Unternehmung in der populären Musikszene betrachtet werden.

cd