EIN LEBEN FÜR EIN LEBEN - ADAM HUNDESOHN

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Anbieter: 3L
Regisseur: Paul Schrader
Schauspieler: Ayelet Zurer, Willem Dafoe, Jeff Goldblum, Juliane Köhler, Moritz Bleibtreu, Derek Jacobi, Joachim Król, Veronica Ferres
Laufzeit: 102 Minuten
Bildformate: 2,35:1
Bindung: DVD
Tonformate: Dolby Digital 5.1 - Deutsch, Dolby Digital 5.1 - Englisch

Israel 1961. Inmitten der Negev-Wüste befindet sich das hochmoderne Seizling-Institut, eine fiktive Nervenheilanstalt, die auf die Behandlung KZ-Überlebender spezialisiert ist. Einer der Patienten ist der charismatische Adam Stein (Jeff Goldblum), der unter den anderen Traumatisierten die Position eines Gurus einnimmt. Als Stein unter den Patienten einen Jungen trifft, der sich augenscheinlich für einen Hund hält, brechen die Schatten seiner Vergangenheit über ihn herein. In sporadischen Rückblenden erfährt der Zuschauer, dass Stein - ein ehemals erfolgreicher Varieté-Künstler und Clown in der Weimarer Republik - nach seiner Deportation in ein Vernichtungslager, unter dem neurotischen Kommandanten Klein (Willem Dafoe) genötigt wurde, als und wie dessen Hund zu leben, um sein eigentliches Leben zu retten.
In seiner Adaption des gleichnamigen Romans von Yoram Kaniuk greift Regisseur Paul Schrader eine diffizile Thematik auf, der er jedoch mit ästhetischem Geschick und abstrakter Umsicht gerecht wird.

„Wieso sollen sich die Patienten nicht gegenseitig behandeln?“, fragt ein Psychiater des Sanatoriums mit leicht ironischem Unterton und spätestens an dieser Stelle liegt ein Vergleich mit Milos Formans „Einer flog über das Kuckucksnest“ nahe. Der Anstaltsleiter Nathan Gross (Derek Jacobi) gesteht Adam Stein einige Sonderprivilegien zu, da er sich einen positiven Einfluss auf die anderen Patienten erhofft. Ähnlich wie einst Jack Nicholson wandelt Jeff Goldblum durch die Reihen der Insassen und schafft es, diese für sich einzunehmen. Doch im Gegensatz zu Jack Nicholsons McMurphy verbreitet Goldblums Adam kein revolutionäres Gedankengut. Paul Schraders Protagonist ist vielmehr eine intellektuelle Variation dieses Typus. Im Angesicht des entsetzlichen Grauens, das er und die anderen Patienten erfahren mussten und als Intellektueller, dessen mächtigste Waffe das Wort ist, steigert und verliert er sich in (pseudo-)edukativen Ansprachen und Antworten. Der zynische Beigeschmack und die manische Leichtfertigkeit seiner Worte sowie die teils kurios anmutenden Gestalten, erinnern stark an Elemente des Absurden Theaters, welches Adam selbst in einem seiner Vorträge explizit erwähnt.

Im Gegensatz zu Roberto Benigni, der in „Das Leben ist schön“ gezwungen war, die Gräuel des Holocaust zu reduzieren, um diesen gegenüber eine konventionellere Tragikomik etablieren zu können, wählt Paul Schrader einen stilisierteren Weg.
In einer künstlichen Schwarz-Weiß-Fotografie gehalten, erinnern die Sets der Rückblenden teils an Theaterbühnen. Nicht selten expressionistisch beleuchtet sind nur partielle Segmente der Bildausschnitte sichtbar, wodurch die wenigen agierenden Figuren und vor allem Rollen –Dafoe als Herr, Goldblum als Hund - metaphorisch abstrahiert werden. Eine solche Form der Abstraktion und Transzendenz hat jedoch keinesfalls eine euphemistische Absicht oder Wirkung. Die hier und auf solche Weise präsentierten menschlichen Verhaltensweisen und Verhältnisse wirken so abwegig und grotesk, dass sie automatisch als surreal und alptraumhaft eingestuft werden, gleichzeitig wird sich der reflektierte Zuschauer jedoch gewahr, dass es unter den Extremsumständen der Belastung und Machtverteilung des Dritten Reichs zu solchen Taten und Vorkommnissen gekommen sein kann. Diese ambivalente Rezeptionspsychologie erhöht den Faktor des Unbehagens und lässt es auf verschiedenen Metaebenen nachklingen.

Der gelungene Drahtseilakt zwischen angestrebter Seriosität und kontrollierter Absurdität auf der einen Seite und der Gefahr ungewollter Lächerlichkeit auf der anderen wird neben einem durchdachten stilistischen Fundament vor allem durch eine ausgefeilte und differenzierte Schauspielkunst des Protagonisten gestützt. Jeff Goldblum, in der wahrscheinlich anspruchsvollsten Darstellungen seiner Karriere, präsentiert die Figur des Adam Steins in zahlreichen Facetten und in verschiedenen Perioden dessen Lebens. Vom überaus geschickten und gewitzten Unterhaltungskünstler zum treuen und gedemütigten „Hund“ des Lagerkommandanten, von einer Art Beckettschen Mentor der Verzweifelten zum sorgenvollen Familienvater, der nach dem Ende des Krieges mit der prekären „Schande“ leben muss, nicht auch ermordet worden zu sein. Goldblum präsentiert diese ambivalenten Versatzstücke als ein großes komplexes Ganzes einer zerstörten Seele.

Von den weiteren Darstellern ist neben Willem Dafoe - der den neurotischen Nazi-Offizier diabolisch, aber auch latent gequält erscheinen lässt - Joachim Król als verzweifelt traumatisierter Patient hervorzuheben. Beiden werden jedoch nur relativ wenig Zeit und Raum zur Verfügung gestellt. Hier ist auch die einzige Schwäche des Films zu finden. Die ohnedies gegebene Vielschichtigkeit des Stoffes wird durch die allegorische und metaphorische Inszenierung noch überhöht, so dass mit den aufkommenden Fragen nach angemessener Loyalität, Vergangenheitsbewältigung, unkonstruktiver Machtverteilung, Glaube in Zeiten des Leids und Identitätsbildung gleich eine Handvoll essentieller Themen in den Fokus gerückt werden, die einen stellenweise etwas überladenen und übereilten Eindruck hinterlassen.

Neben Andeutungen auf die Versuchungen Christi in der Wüste (Paul Schrader schrieb das Drehbuch zu Scorseses „Die letzte Versuchung Christi“) fühlt man sich auch kurzzeitig an Schraders vorangegangenes Projekt „Dominion“ – das Prequel zu Friedkins „Exorzist“ – erinnert, in dem ebenfalls ein gläubiger Mensch mit der grausamen Realität des Holocaust konfrontiert wird.

Jedoch geht es Schrader in „Adam Resurrected“ weniger um eine Faszination (an der personifizierten Präsenz) des Bösen als vielmehr um die Angst vor der Nichtexistenz Gottes im Angesicht unerträglicher Grausamkeit und Verzweifelung.

Oliver Hahm