Nil Baskar, Gabe Klinger (Hg.)

Joe Dante

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FilmmuseumSynemaPublikationen 19
Wien 2013, 256 Seiten. In englischer Sprache
ISBN 978-3-901644-52-8

PIRANHA, THE HOWLING, GREMLINS... Das Kino von Joe Dante ist Genrevariante und Metafilm zugleich. Auf eine unvergleichliche Weise stellt er im variierten und parodierten Zitat die Mechanismen des Hollywoodkinos aus, ohne diese zu dekonstruieren oder zu entzaubern. Dantes Kino ist immer noch Hollywoodspektakel, aber von einer charmanten und sehr persönlich gefilterten Art. Dante dreht Genrekino, das das Kino aus sich selbst heraus neu entwickelt – und immer schon in einer Filmwelt spielt. Wo sich andere Kollegen als Genreprofessionals genügen, ist Dante der ultimative Genre-Bender Hollywoods. Ein Sammelband des Österreichischen Filmmuseums in Wien würdigt ihn nun in vielerlei Aspekten.

Joe Dante wuchs in einer Zeit der politischen Paranoia auf: In den USA schwelte die Angst vor einer kommunistischen Unterwanderung, das Wettrüsten zwischen Ost und West brachte die Welt mehrfach an den Rande eines möglichen Atomkriegs. Diese Ängste spiegelten sich in den phantastischen Genres, die Body Snatcher, Rieseninsekten und außerirdische Invasoren hervorbrachten. So generierte das Genrekino früh politische Metaphern, die Dante in seinen späteren Filmen aufgreift und mitunter zeitgemäß aktualisiert und neu codiert. Klassische und moderne Elemente begegnen sich in seinem Werk nicht nur, sie werden von ihm geschickt in Schwingung miteinander gebracht.

Der Hort amerikanischer Sichert, die mittelständischen Vorortsiedlungen selbst werden zu einer Welt der Schreckens. Immer denkt Dante hier die Auswirkungen von Medienrezeption auf die Wahrnehmung der Realität mit, wenn Kinder sich ein Raumschiff konstruieren und tatsächlich Außerirdischen begegnen (EXPLORERS / EXPLORERS – EIN PHANTASTISCHES ABENTEUER, 1985), wenn die Nachbarn als Monster in Menschengestalt erscheinen (THE BURBS), wenn die Welt von launischen Zeichentrickfiguren infiltriert wird (LOONEY TUNES: BACK IN ACTION, 2003) oder sich in der Welt eines Horrorregisseurs (John Goodman) buchstäblich Phantastik und bedrohliche Realität vermischen (MARTINEE, 1993). Ein langes Interview zu seiner gesamten Karriere bestätigt diese Ansätze auf verblüffend reflektierte Weise.

In unterschiedlichsten Ansätzen werden in diesem Band von Kollegen Joe Dantes (John Sayles, Michael Almereyda) und Filmjournalisten und -wissenschaftlern verschiedene Perspektiven angelegt: seine Slasher, das GREMLINS-Franchise, das klassische B-Genrekino, seine TV-Arbeiten, seine Effekte, das alles ergänzt um eine Filmografie und Bibliografie, illustruiert mit teils farbigen Abbildungen, viele davon aus dem privaten Arhciv des Regisseurs.

Ähnlich den Mavericks des Classical Hollywood baut Joe Dante seine künstlerische Identität auf einer originellen Variation generischer Standards auf. Doch seine Filme sind nicht einfach die persönliche Variante von Genrefilmen, sie transzendieren die Konventionen der Genres zugleich durch spezifische Strategien, die Dantes Zugang zum Kino bis heute kennzeichnen: 1. die zeitgemäße Transformation veralteter oder nostalgischer Modelle durch Anbindung an zeitgemäße Themen und Sujets; 2. die Parodie auf allseits bekannte und im medialen Archiv der Zuschauer gespeicherte Modelle des klassischen Genrekinos; 3. der Synkretismus, also die nahtlose Verschmelzung unterschiedlicher, auf den ersten Blick schwer vereinbarer Genres; 4. das Genre-Bending – die originäre Neukonfiguration bereits historisierter Genrestrukturen in Form ironisch-synkretistischer Neukonzeptionen. So ist Joe Dante zweifellos ein auteur nach dem Modell der Autorentheorie des Films, wie sie in den 1950er Jahren postuliert wurde, denn mit den genannten Mitteln gelingt ihm, einen genuinen und leicht wiedererkennbaren Stil zu kreieren, der zugleich nicht auf einer festgelegten Bildsprache basiert, wie man sie von anderen Genre-auteurs kennen mag. Dantes Handschrift sind keine wiederkehrenden Perspektiven oder simple Themen. Wohl bedient er sich eines Ensembles von Kolleginnen und Kollegen, jedoch subtiler als gewohnt und nicht in den Hauptrollen der Besetzung. Sein wiederkehrendes, konstituierendes Element, das zugleich seine Weltsicht vermitteln mag, ist die Filmgeschichte selbst, das Genrekino der klassischen Ära Hollywoods. Dantes Verdienst ist es, diese Ära am Leben zu halten, indem er sie zeitgenössischen Bedürfnissen beugt und doch liebevoll würdigt und ehrt.

Marcus Stiglegger