Neue Industrial / Elektronik Juni 2004
Henrik Nordvargr Björkk
I End Forever
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(Horch 2004) CD 14 Track plus Videoclip
Zu den aktivsten skandinavischen Elektroniktüftlern
zählt zweifellos Henrik Björkk, der unter dem Namen Nordvargr
u.a. die Black Industrialband MZ.412 leitet. In den letzten Jahren tat
er sich zunehmend durch verschiedene Industrial/Experimentalprojekte hervor,
u.a. mit dem Noiseprojekt Folkstorm und dem Historical Ambient/Folk-Outfit
Thoroid. Eine bislang wenig kultivierte Seite präsentiert der Musiker
nun unter seinem bürgerlichen Namen als "I Ende Forever"
- der Titel hat einen Bezug zu Björkks Angewohnheit, immer mal wieder
den absoluten Tod bestimmert Projekte anzukündigen, die dann wieder
auftauchen.
Die medizinisch-fetischistischen Fotos auf dem Cover erinnern
hier etwas an Die Form, wobei sich der präsentierte Sound den Kategorien
weitgehend entzieht - und das wirkt sich äußerst positiv aus:
Die CD bleibt erfrischend unberechenbar und unterhaltsam, sogar düster-spannend,
und gleitet nur an wenigen Stellen in fast technoide Ryhthmen ab. Man
kennt diese Mischung aus Ambient, Ritual-Trance, Experiment und Industrial
ja von Coil, und obwohl man auch mit dieser CD von Björkk keine Umstürzung
des Musikgeschehens beschwören kann, ist die CD doch erstaunlich.
Ein kleiner Höhepunkt ist übrigens das "Patterns Emerging"-Video,
das von Maximilian Jänicke gedreht wurde, wobei es etwas kompliziert
ist, das auf dem Computer zum Laufen zu bringen... :ms:
MZ.412 vs. Folkstorm
Live Ceremony
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(Pagan Dance 2004) CD 10 Tracks
Folkstorm
Sweden
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(Cold Spring 2004) CD 10 Tracks
Gewohnt knüppelhart geht es auf dieser Split-CD von
MZ.412 und Folkstorm
zu. Beide Bands von Henrik Nordvargr Björkk (s.o.) haben sich der
aggressiven Spielart der Power Electronic verschrieben und produzieren
harsch-krachige 'Hatesounds', pochend-pulsierende Ryhthmen und einen verzerrten
Schreigesang. Dabei kann gerade MZ.412 für sich verbuchen, in den
letzten Jahren einen führenden Status in diesem Bereich erlangt zu
haben (und das, nachdem bereits die frühere Inkarnation Maschinenzimmer
412 zur Kultband avanciert war!). Die hier präsenten Livedarbietungen
aus Rostock (2000) präsentieren in 7 Akten einen Querschnitt durch
MZ.412s Werk. Hervorragend etwa ist Act IV gelungen, wo verschiedene Stücke
von "Nordic Battlesigns" zusammengemischt wurden. Im Grund funktioniert
diese CD als origineller Remix des bekannten Materials, ist also für
Fans in jedem Fall interessant, zumal auch der Sound nicht auf die Livequelle
schließen lässt. - Drei Songs von Folkstorm runden das Ganze
ab: Auch hier dominiert der noisige Powersound. Zwei der Stücke entstammen
einer limitierten CD-R, eines ("Hatesong") ist exklusiv. - Wer
strukturierte, noisige Industrialmusik sucht, wird auf dieser CD voll
auf seine Kosten kommen.
Ähnliches gilt für die nun vermutlich wirklich
letzte Solo-Veröffentlichung von Folkstorm,
einer Band, die ja seit einiger Zeit für abgeschlossen erklärt
wurde. Justin Mitchell von dem britischen Cold Spring Label hat ein unveröffentliches
Konzeptalbum von Folkstorm exhumiert und von Mr. Nordvargr selbst remixen
lassen. Auf "Sweden" entwickelt er mit gewohnt brachialen Mitteln
eine "Liebeserklärung" an sein Herkunftsland. Die Soundpalette
schwankt zwischen brutalen Noiseattacken und dunkel grollenden Ambientpassagen,
wobei Samples und Vocals eher in den Hintergund treten. Titel gibt es
wiederum keine, wobei das Booklet einige Solgans und Bilder zu unvereinabren
gegensätzen innerhalb der schwedischen Gesellschaft enthält.
"Sweden" ist eine CD, die als posthumes Geschenk an den geneigten
Fan gedacht ist, mit ihrem fast schon klassischen Industrialsound aber
auch einer größere Hörerschaft verdient hätte.
cd
Ran Slavin
Product 02
(Cronica 2004) CD
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@C
V3
(Cronica 2004) CD enhanced
Das Portugiesische Label Cronica hat sich seit einiger Zeit
einen Namen mit konzeptionellen Veröffentlichungen experimenteller
Musik gemacht. In der Reihe 'Product' werden jeweils zwei Werke eines
oder verschiedener Künstler vorgestellt und zugleich miteinander
konfrontiert. Dabei wird auch auf die gesplittete Formatierung der klassischen
Schallplatte zurück verwiesen. Jede CD der Reihe ist zudem ausgestattet
mit dem exklusiven Artwork eines weiteren Künstlers.
Mit zwei Werken des Komponisten Ran
Slavin, "Tropical Agent" und "Ears in Water",
liegt das aktuelle 'Product' vor. Das Cover des isrealischen Designers
Jewboy Co. (Yaron Sin) verarbeitet Nahaufnahmen des menschlichen Körpers
zu imaginären Landkarten und Strukturen, wären die Musik oft
fragile Klangkonstruktionen entfaltet, die mit gläsernen und verhallten
Klängen ihrerseits Bilder auf eine aukustische Leinwand malen. Slavins
Musik erinnert somit gelegentlich an die Ambientmusik der siebziger Jahre,
entfernt sich jedoch immer wieder in eigene fragmentiert-rhythmisierte
Gefilde. Dabei ist dieser Tonträger immer noch im Bereich des betörend-angenehmen.
Die Dekonstruktion gleitet nie in destruktive Eskapaden ab.
Etwas schwieriger gestaltet sich die bei verschiedenen Gelegenheiten
2003 live aufgenommene CD "V3" von @C.
Dabei spielten jeweils uunterschiedliche GastmusikerInnen bei dem Projekt
mit. Die brüchigen Kompositionen begleiten die visuellen Installationen
der Multimediakünstlerin Lia, von der auch ein Quicktime-Video auf
der CD vorhanden ist (das ich leider nicht abspielen und sichten konnte,
warum auch immer...). Diese CD erscheint etwas unfertig und roh, zeigt
auch deutlich, dass audiovisuelle Performancekunst sich nicht problemlos
in heimische Gefilde transportieren lässt. :ms:
Jarl
Parallel/Collapsing
(Segerhuva 2004) 7 Tracks
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Auch ein massives Power-Electronics-Project wie die schwedischen
IRM (Cold Meat) brauchen gelegentlich eine Noisepause. Und so verwundert
es kaum, dass dieses Nebenprojekt Jarl nicht mit wütenden Noiseattacken,
sondern mit flächigen, ambienten Passagen (in 7 Teilen) aufwartet.
Die Kälte des Coverdesigns setzt sich indes in der Musik fort, und
wohlige Ambientteppiche sind hier nicht zu erwarten. Vielmehr entwickeln
Jarl über die gesamte Laufzeit einen minimalistischen Soundtrack
zum Zusammenbruch ("Parallel/Collapsing"), einen Sog, der niederdrückt
und festhält. Die ungeachtet dieser minimalistischen Entwicklung
sehr differenzierte Klangwelt wurde von Peter Andersson (Raison d'ètre)
gemischt und sollte unbedingt laut oder über Kofhörer rezipiert
werden, da sonst die wesentlichen Nuancen leicht verloren gehen und der
Eindruck eines beiläufigen 'Rauschen' zurückbleiben könnte.
Als intensives und bewußtes Hörvergnügen ist diese CD
jedoch zu empfehlen. cd
Pateras / Baxter / Brown
Ataxia
(Synaesthesia 2004) CD
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Keine leichte Kost, die das australische Trio Anthony Pateras,
Sean Baxter und David Brown hier präsentieren. Bereits das Coverbild
zeigt das präparierte Piano und lässt den radikalen musikalischen
Zugang erahnen, der hier mir vor allem rhythmischen Instrumenten und massiven
Kontrasten beschworen wird. Systematisch werden hier Rhythmen zerstört,
wobei man eine unberechenbare Klangwelt etabliert, die in Momenten an
Bartok und Ligeti erinnern mag, immer aber überzeugt durch die konsequent
akustische Quelle der Geräusche. So mag man sich vor allem an der
akustischen Differenziertheit dieses organisierten Chaos' berauschen...
Luc Ferrari
Les Anecdotiques
(Sub Rosa 2004) CD 15 Tracks
Der 1929 geborene Musikpionier Luc Ferrara hat es sich zum
Programm gemacht, allen Aspekten des sozialen Lebens auditiv Ausdruck
zu verleihen. Insofern entstammen seine Collagen deutlich der musique
conrète, der er 1958 bis 1966 angehörte, er hat es jedoch
nie aufgegeben, weiter zu forschen und neue Möglichkeiten der Klangverarbeitung
zu erschließen. Schon 1964 verarbeitete er ambiente Klangpassagen
zu einem narrativen Konstrukt. Danach war er Professor für Komposition
an der Rheinischen Musikschule Köln. Sub Rosa hat für die nun
vorliegende CD "Les Anecdotiques" also auf das Spätwerk
eines echten Musikpioniers zurückgegriffen - und einen über
einstündigen Hörfilm vorgelegt, der de- und re-konstruierte
Fieldrecordings mit Sprachfetzen zu einem stimmigen Ganzen verbindet.
Das experimentelle Konzeptwerk ist von mehrsprachigen Anmerkungen begleitet
und kann als eine der wichtigen Veröffentlichungen dieses Jahres
bezeichnet werden. cd
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