COLUMN ONE

Feldaufnahmen I

CD, 12 Tracks, im Digipack (Auf Abwegen 2009)

Seit 1991 stehen Column One für sperrige, teils selbst für PostIndustrialverhältnisse extrem abgedrehte Klänge und ebenso schrille bis verstörende Auftritte. Nicht selten reagiert das Publikum während einer Darbietung völlig überfordert und bisweilen ist sogar der gerne benutzte Begriff „Kunstscheiße“ zu hören. Ob Column One nun brillante, der Burroughschen „Cut Up“-Methode verhaftete Verrückte oder überambitionierte Spinner sind, soll der Zuhörer für sich selbst beantworten und bei letzterem tunlichst einen Bogen um diese Truppe machen, und aufhören, den begeisterteren Zuhörern mit seinen Zwischenrufen das Konzert zu vermiesen. Soviel dazu. Column One stehen für sich und auch nur für sich, es kann davon ausgegangen werden das es bei ihrem künstlerischen Output in keiner Sekunde darum geht, den Zuschauer irgendwie zu unterhalten oder mit plakativen Botschaften zu traktieren.

Auf ihrer neuesten CD zeigen sie sich von einer sehr ungewöhnliche Seite. Dominierten früher eher elektronisch wirkende, teils perkussive und stark unterkühlte Elemente ihre Collagen, so bekommt es der Zuhörer hier, wie es der Name verspricht, ausschließlich mit Feldaufnahmen zu tun. Laut Booklet wurden diese Geräuschschnipsel auch nur minimal nachbearbeitet. Es handelt sich hier quasi um ein Landschaftsportrait des Polenztals in der Nähe des Elbsandsteingebirges. Selbst die Orte, an denen die einzelnen Aufnahmen entstanden, sind auf einer Karte eingezeichnet, was dieses Album durch und durch zu einer Dokumentation statt einer erdachten, arrangierten und artifiziellen Toncollage macht, wie sie sonst eigentlich üblich sind. Selbst Konzeptalben mit Feldaufnahmen streuen meist noch synthetische Geräusche ein, um zusätzliche Spannung zu erzeugen. Einzig der „Shipwreck Radio“ Zyklus von Nurse with Wound kommt einem hierbei noch in den Sinn, allerdings handelte es sich bei jenem um ein schlaffes, unkreatives Machwerk. Auch bei diesem Tonträger wäre es ein Leichtes, ein schnelles und harsches Urteil zu fällen. Dennoch, auch wenn fraglich bleibt, inwieweit hier wirklich Kreativität im Spiel war, strahlen die Aufnahmen eine einfache und unaufdringliche Schönheit aus. Der Zuhörer wird gezwungen sich ganz den Geräuschen zu widmen, die er im Alltag gerade aufgrund ihrer Gewöhnlichkeit schlicht überhören würde. Schritte, Hundebellen, das Fließen eines Baches und das Surren verschiedenster Insekte. Eine absolut radikale Rückbesinnung auf die Musik und Harmonie unserer Natur.

Ein fragiles, aber sehr kraftvolles Werk, das einen dazu animiert, das eigene Gehör zu schärfen, um in Zukunft die paradoxen Situation zu vermeiden, die klangliche Ästhetik des eigenen Umfelds erst auf einem digitalen Tonträger zu bemerken. Kurios, dass ungefilterte Natürlichkeit als abstrakter wahrgenommen wird als künstliches Geräusch.

Daniel Novak