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Martin Kreischer
Zerschossene Bilder
Der Ego-Shooter „Black“
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Ein nur unzureichendes Sicherheitsnetz schütz den Spieler
von „Black“ (Electronic Arts, 2006). Andere Ego-Shooter zeigen
mehr Verständnis für ihre Spieler: Sie geben ein paar Save-Points
vor, oder verstecken massig Checkpoints, um Frustration zu vermeiden.
Black baut auf genau dieser Frustration auf: Während die meisten
Shooter durch die Möglichkeit des Abspeicherns dem Spieler ein gewisse
Sicherheit geben, immer wieder zurückkommen zu können, so erzeugt
„Black“ mit seinem Mangel an solchen Möglichkeiten eine
ganz neuen Intensität. Erst nach einer Mission kann gespeichert werden,
zwischen den oftmals ein- bis zweistündigen Abschnitten gibt es ein
paar Checkpoints, zu denen man im Falle eines Ablebens zurückkehrt.
Das ist einseits ein Rückschritt, denn bereits bei den frühen
Spielen gab es kaum Sicherheitsnetze dieser Art, wer einmal alle Leben
in „Castlevania“ (Konami, 1987) verspielt hatte musste den
beschwerlichen Weg innerhalb des Schlosses erneut gehen. Das hatte damals
allerdings auch seinen Reiz, denn mit der Zeit lernte man so das Spiel
und die virtuelle Umgebung bis zu Gänze kennen, konnte alle Geheimnis
lüften.
Doch das ist nicht das Ziel von „Black“. Vielmehr
soll hier eine reale Bedrohung über das Weglassen von Save-Möglichkeiten
simuliert werden: Jeder Treffer kann tödlich sein, jedes Versagen
fatal. Das Kennenlernen der Spielumgebung, die oftmals sehr weitläufig
ist, ist dabei nicht von Belang: Einzig die richtige Deckung verschafft
einen Vorteil, wenn auch nicht für lange. Denn jeder Schuss zerlegt
die Umgebung, die Landschaft bleibt nicht verschont von den ständigen
Einschlägen. Das lässt sich auch strategisch nutzen: Wer die
explosiven Landschaftsteile erwischt, kann sich einen Vorteil verschaffen.
Doch das kann auch gegen den Spieler genutzt werden, einmal zu nahe an
einem Auto, das unter Beschuss steht und der Charakter nimmt schweren
Schaden. Dann beginnt die Welt zu verschwimmen, der Klang wird gedämpft,
die Wahrnehmung getrübt, der bevorstehende Exitus setzt den Spieler
noch mehr unter Druck und nimmt ihm Handlungsmöglichkeiten.
Durch die oftmals langen Missionen verstärkt sich so
die Immersion, man kann nicht einfach zwischendrin aufhören, abspeichern
und später wieder dort anfangen. Die Mission muss zu Ende gebracht
werden, ein auferlegte Bürde, die den Spieler zermürbt und gleichzeitig
motiviert. Ehe nicht die Missionen beendet ist, gibt es kein Entrinnen.
Der Begriff „Gun-Porn“ greift somit zu kurz. Zugegeben stützt
sich „Black“ auf einen gewissen heiklen Shooter-Ästhetizismus
von glänzenden Waffen, böllernden Schüssen und fliegenden
Patronenhülsen. Doch in seinem Aufbau ist die Bedrohung des Spielers
festgeschrieben, in der Handlung wird er nur als Marionette geoutet. Denn
die Story von „Black“ besitzt einen sehr modernen Gestus:
Nur noch Fragmente werden gegeben, ein Gespinst aus Terrorismus, Kriegen
und Politik, dass nicht durchschaut werden soll, denn der Söldner
hat schon längst den Überblick verloren, ist nur noch ausführendes
Organ wirrer und undurchschaubarer Befehle. Nachrichten-Fakes werden dazu
in Cut-Scenes mit einem Verhör kombiniet, das „Licht“
in die „Sache“ bringen soll – konkreter wird es jedoch
nicht, man weiß nur, dass es um eine Terroreinheit geht, die gejagt
werden soll.
Dabei nutzt man fast schon eine Noir-Atmosphäre, um
in den Cut-Scenes die Handlung zu erzählen: Rückwärtig
sind die Missionen nur Elemente einer Vergagenheit, die Erinnerungen eines
Söldners. Verhuschte Gesichtszüge, starken Lichtkontraste und
der stets kreisende Deckenventilator sind ebenfalls dem Film Noir entnommene
Elemente. Auch auf eine Multiplayer-Möglichkeit wurde verzichtet.
Das Spiel ist kein Wettbewerb, kein eSports, sondern ein singuläres
Erlebnis, geprägt von Einsamkeit und Einzelkämpfermentalität,
kein Happening oder Kommunikationsmittel. „Black“ ist somit
nichts Ganzes mehr, keine Einheit von Erzählung und Geschichte, sondern
ein Bricollage aus intensiven Kampfhandlungen und entleerten Inhalten,
eine ebenso zerschossene Umgebung wie ein durchlöcherte Story. Nur
Oberfläche, wie Frederic Jameson sagen würde. Die Hochmoderne
hält Einzug in den Ego-Shooter.
„Black“ ist erschienen für Microsoft
Xbox und Sony PlayStation 2
Offizielle „Black“-Website:
http://www.electronic-arts.de/black/index.html
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