THE BIG EMPTY - Special Edition 2 DVD

Bewertung: 2,5 / 5

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Anbieter: epiX Media AG
Regie: Steve Anderson
Darsteller: Jon Favreau, Rachel Leigh Cook, Joey Lauren Adams, Adam Beach, Jon Gries, Daryl Hannah, Kelsey Grammar, Bud Cort, Gary Farmer, Sean Bean
Drehbuch: Steve Anderson
Kamera: Chris Manley
Land / Jahr: USA 2003
Sprachen: Englisch (5.1 / 2.0), Deutsch (5.1 / 2.0), deutsche und englische Untertitel
Länge: ca. 90 Minuten
Bonusmaterial: Kommentarspur (Steve Anderson ), Kinotrailer, Bildergalerie, alternative Coverentwürfe, alternative Szenen, alternatives Ende, unveröffentlichte Szenen, Making Of, Pannen, Biografien, epiX-Trailershow

Der erfolglose Schauspieler John Person (Jon Favreau) hält sich in Los Angeles mehr schlecht als recht mit Kurierdiensten über Wasser. Als sein Nachbar Neely (Bud Cort) ihn beauftragt, einen blauen Koffer in dem Wüstenkaff Baker abzuliefern, lehnt Jon ab. Das Geld könnte er schon ganz gut gebrauchen, aber der kleine Neely, der den Bewohnern des Hauses nicht sehr unauffällig hinterherspioniert und stets eine unförmige Halskrause trägt, ist einfach zu seltsam. Auch die Aufgabe, den Koffer nach Baker zu bringen und ihn dort einem gewissen „Cowboy“ auszuhändigen, klingt in Johns Ohren höchst verdächtig. Er erklärt sich erst dazu bereit, als Neely damit droht, einige peinliche Einzelheiten aus Johns Privatleben publik zu machen.

In der kleinen Stadt Baker angekommen, checkt John im „Royal Hawaiin Hotel“ ein und macht sich auf die Suche nach dem „Cowboy“. Er verpasst ihn jedoch mehr als einmal, was nicht zuletzt daran liegt, dass ihn ein Flirt mit der süßen Ruthie (Rachel Leigh Cook) und die Wutanfälle ihres eifersüchtigen Freundes (Adam Beach) ablenken. Wo immer John den „Cowboy“ zu finden hofft, er kommt um Minuten zu spät, und nur die Berichte des Hotelportiers (Jon Gries), der Barbesitzerin (Daryl Hannah) und der örtlichen Nutte (Melora Walters) beweisen, dass der Mann überhaupt existiert und dass er sehr verärgert ist, wenn man ihn warten lässt. Nachdem John ihn wieder einmal verfehlt hat, erwarten ihn in seinem Hotel gleich zwei schlechte Nachrichten: in Los Angeles ist sein Nachbar Neely ohne Kopf aufgefunden worden und der „Cowboy“ hat für ihn eine Bowlingtasche mit einem runden Objekt darin hinterlegt. Das ruft FBI-Agent Banks (Kelsey Grammer) auf den Plan.

Obwohl das Erzähltempo bis zu diesem Punkt der Handlung eher schleppend verläuft (tatsächlich ist das lebendigste die Musik, eine nette Mischung aus IndiPop und Country) und nichts, was John wiederfährt, wirklich witzig ist, hat Anderson im Zuschauer doch Interesse für den weiteren Verlauf und für John Persons Wohlergehen geweckt. Die weitere Handlung zerfällt jedoch in einzelne Szenen, ohne dass die bisher geschilderten Ereignisse zu einem halbwegs befriedigenden Ende geführt werden: der „Cowboy“ (Sean Bean) taucht auf, trägt schwarze Kleidung, schwenkt sein Gewehr und spricht mysteriöse Sätze, John wird mit weiteren blauen Koffern in die Wüste geschickt, ein Indianer (Gary Farmer) weist ihm den Weg, einige Bewohner Bakers werden vom „Cowboy“ in einem ausgetrockneten See abgesetzt und vielleicht von Außerirdischen entführt, am Ende sind Johns ehemals braunen Augen blau. Die bis dahin gestreuten Andeutungen fügen sich nicht zu einer geschlossenen Handlung zusammen.

Natürlich deutet ein Titel wie „The Big Empty“, also „Die große Leere“, bereits an, dass es in der Absicht Steve Andersons (Regisseur und Autor) liegt, in seinem Film, den er als schwarze Komödie bezeichnet, bestimmte Erzählmuster zu brechen. Doch er kann diesem Bruch nichts entgegensetzen. Obwohl Anderson im umfangreichen Zusatzmaterial keine direkten Vorbilder und Einflüsse nennt, drängt sich bei den in Ockergelb, Goldbraun und Rot gehaltenen Hotelszenen der Vergleich mit David Lynchs und Mark Frosts Serie „Twin Peaks“ auf. Die Verwendung der Farbe Blau, das weiße Licht in der nächtlichen Wüste und die mögliche Landung von Außerirdischen erinnern stark an eines der Grundmotive von Chris Carters „X Files“. Steve Anderson arbeitete 15 Jahre lang als Kameramann in Los Angeles. Auch wenn er es nicht ausdrücklich ausspricht, kann davon ausgegangen werden, dass die Ästhetik und die Erzählstrategien dieser Serien ihn geprägt haben. Was die visuelle Gestaltung angeht, kann „The Big Empty“ auch tatsächlich mit seinen Vorbildern mithalten. Er besitzt eine beeindruckende Farbdramaturgie und der ehemalige Kameramann Anderson entwickelte für jede der einzelnen Figuren und Situationen eine eigene Art der Kameraführung. Doch die Geschichte kann zu keiner Zeit die selbe Faszination wecken, wie die offensichtlich parodierten Vorbilder. Diese Faszination ist aber selbst bei einer Parodie nötig, auch wenn sie anschließend ironisch gebrochen werden soll.

Indem man sich fragt, welche Elemente in den beiden Serien so bemerkenswert waren, dass ihr Einfluss immer noch anhält, kann man erkennen, was „The Big Empty“, trotz der ausgeklügelten Technik und der schönen Farbdramaturgie, fehlt. Ungeklärte Fragen, verwirrende Figuren und sich auflösende Erzählstränge gab es in den beiden Serien auch. Doch Lynch und Frost verliehen den Bewohnern von „Twin Peaks“ eine außerordentlich starke Präsenz, indem sie sie mit so großem Ernst in Szene setzten, dass auch der Zuschauer sie ernst nahm. Andersons Charaktere vermitteln nichts dergleichen. In „The Big Empty“ lässt er einen befremdeten Großstadtbewohner in einem unbedeutenden Wüstenkaff auf die gelangweilten Bewohner treffen, die jede Unterbrechung ihres Alltags bemerkenswert finden, ein Gerücht über Außerirdische genauso wie die lang zurückliegenden Dreharbeiten zu einem Sexfilm. Lynch und Frost dagegen ließen ihre Log-Lady (Catherine E. Coulson ) so eindringlich die Prophezeiungen eines Holzscheits verkünden und einen Special Agent (David Duchovny) mit so cooler Selbstsicherheit in Frauenkleidern ermitteln, dass der Zuschauer nach solchen Auftritten zwar so ratlos wie zuvor war, „Twin Peaks“ aber die selbe Haltung entgegenbrachte, wie einem Traum, in dem man alle Geschehnisse akzeptiert, ohne nach einer zugrunde liegenden Logik zu fragen. Carters „X Files“ wiederum hatten ihre stärksten Momente dann, wenn der Zuschauer die einsamen, gequälten Protagonisten genau verstehen konnte. Steve Anderson gelingt es nicht, die dafür erforderliche Nähe zu den Figuren aufzubauen. Die peinliche Enthüllung von John Persons bevorzugten Masturbationspraktiken beispielsweise, könnten als Anspielung auf die Pornosammlung verstanden werden, die in den „X Files“ gelegentlich Fox Mulder (David Duchovny) unterstellt wurde. Während jedoch in „The Big Empty“ lediglich ausgesprochen wird, was Menschen tun, wenn sie sich unbeobachtet fühlen, erhielt der Zuschauer in den „X Files“ einen der seltenen Einblicke in Mulders (mögliches) Privatleben. Was sich daraufhin erahnen ließ, brachte einen zum Schaudern. Es war die Einsamkeit eines Mannes, der das Alleinsein zwar als absolute Notwendigkeit für seine Mission betrachtete („Trust no one!“), es aber, wie andere Menschen auch, nur schwer ertragen konnte.

Die DVD bietet einiges an Bonusmaterial, das ansprechend präsentiert wird. Die Menüpunkte und die Felder zur Kapitelauswahl sind witzig gestaltet. Jedes Feature wird mit Hilfe von deutschen Untertiteln treffend übersetzt. Doch leider wird nicht viel Originelles geboten. Die Pannen sind eher müde Versprecher, die Fotogalerie zeigt nichts neues, das alternative Ende ist nicht grundsätzlich anders, die herausgeschnittenen Szenen hätten die Geschichte kaum bereichert. Selbst das offizielle „Making of“ ist nicht sehr aufschlussreich. Einem der Produzenten (Gregg L. Daniel) fällt zu seinem Film wenig mehr ein, als dass es in der Wüste nachts sehr kalt und tagsüber sehr heiß wurde. Daryl Hannah erklärt diplomatisch, was manche für Schrott hielten, könne für andere einen großen Wert besitzen und einer der ersten Kommentar des Regisseurs besteht aus dem wenig aussagekräftigen Satz: „That´s kind of, like... you know...“. Zusätzlich teilen einige Mitglieder der Crew ihre Haltung zu Außerirdischen mit.

Eine angenehme Überraschung stellt jedoch die Kommentarspur dar, in der Steve Anderson vor allem seine Entschlossenheit und sein Selbstverständnis als Regisseur beschreibt. Er verdeutlicht anschaulich, wie er zwischen den unzähligen Beteiligten vermittelt. Im Vorfeld besteht seine Arbeit aus endlosen Verhandlungen mit den Geschäftspartnern, während der Dreharbeiten hält er vor allem die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern in Gang. Das hat zwar jeder, der ein wenig an den Produktionsbedingungen eines Spielfilms interessiert ist schon geahnt, doch Andersons Entschlossenheit scheint einem trotzdem bewundernswert. Sein Glaube daran, dass ein Film letztendlich mehr als die Summe seiner Teile ist, lässt einen doch auf weitere Filme von ihm hoffen, mit ebenso schönen Bildern, aber etwas nachvollziehbarerer Handlung.

Ines Schneider