Jess Franco – Eine Annäherung

(12. Mai 1930 - 2. April 2013)

von Christian Kaiser

 


Als Lugosi zu Grabe getragen worden ist, da konnte man aufgrund seiner populären Rolle als Graf Dracula scherzhaft unken, er würde seinem Sarg womöglich wieder entsteigen. Schaut man sich dagegen Jess Francos filmisches Werk an, das an Vampirfilmen gewiss nicht arm ist, kann man dagegen allenfalls zu diesem Schluss kommen: dass Franco nun (wie schon seine Partnerin Lina Romay ein knappes Jahr zuvor) seine Existenz als diskontinuierliches Wesen aufgegeben hat, um im Unendlichen aufzugehen – ob man das nun schön oder schrecklich findet... Franco fand diese Vorstellung offenbar schrecklich schön (oder auch schön schrecklich) und drehte zu Lebzeiten gleich ein paar Dutzend Horror- und Erotikfilme zu dem Motiv der Selbstauflösung in der Erotik oder im Tode – mal hervoragende, mal reichlich dilettantische Streifen, mit denen er zu einem ganz eigenwilligen Filmstil fand, voller Francozismen & ewig wiederkehrender Handlungsmuster, die er variierte... und variierte... und variierte...
Diesem filmischen Hauptwerk ging eine kurze, keine zehn Jahre währende Selbstfindungsphase voran, die immer auch vom gesellschaftlichen Wandel im Umgang mit der Sexualität und der Gewalt geprägt worden war. Ein Ende hat sein Hauptwerk dagegen nie gefunden: Franco hat mit seinen Lieblingsthemen nie abgeschlossen, er hat keinen Schlussstrich gesetzt: kein großer Knall am Ende, sondern ein leises Aushauchen... begleitet von einem – spätestens in den 90ern einsetztenden – kontinuierlichen Verfall der zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln und einer gleichzeitigen Radikalisierung der Narration: die Geschichten wurden immer kleiner, der Handlungsfaden immer dünner – das war kaum noch Narration, sondern beinahe nur noch Deskription. Zu Beginn war das alles noch ein wenig anders...


Franco, Franco!

Nach einem knappen halben Jahrzehnt, in dem Franco als Drehbuchautor und Regieassistent tätig war, nahm er Ende der 50er Jahre erstmals selbst auf dem Regiestuhl Platz: Abgesehen von frühen Dokumentarfilmen, die sogar im „Diccionario del cine espanol“ (1966) des deutlich rechtsgerichteten, spanischen Erfolgsautors, (Film-)Journalisten und Juristen Fernando Vizcaíno Casas, welcher Francos späteren Werke freilich ausgesprochen grässlich (und ganz generell Jesus Francos Schaffen weniger bewunderswert als Francisco Francos Schaffen) fand, positiv aufgenommen worden waren, bestand sein frühes Werk vor allem aus Klamauk und Musik. „Tenemos 18 años“ (1959) konfrontierte zwei junge Damen im Rahmen ihres Ausflugs mit allerlei skurillen Figuren, die dem Figurenarsenal des Genrefilms, vom Western über den Krimi bis zum Gruselstreifen, entstammen... bisweilen eingefangen in schiefen, schrägen Bildern (ein Vorspiel späterer Regieeskapaden), sowie vor Kulissen, die Franco nie mehr völlig loslassen sollten – dem Meer, dem Schloss (das gleiche übrigens, welches in „Gritos en la noche“ (1962) erneut die Kulisse abgeben sollte). Eine Spionagekomödie – „Labios rojos“ (1960), der mit seinen zwei weiblichen Ermittlerinnen bereits an die späteren Agentenkomödien „Bésame Monstruo“ (1969) & „Sadisterotica“ (1969) erinnert – und eine musikalische Klamotte – „La Reina del Tabarín“ (1961), der bereits einen Miniauftritt von Francos erster Muse Soledad Miranda enthält – später folgt „Vampiresas 1930“ (1962): Was hier mit einer an Feuillades Kriminalserial „Les Vampires“ (1915) erinnernden Vampirfilmszene, die sich schnell als Film(dreh) im Film entpuppt, beginnt, gerät im weiteren Verlauf zu einer recht albernen, von etlichen Gesangsnummern durchzogenen Travestiekomödie... und auch in ihr steht die Kamera hin und wieder schräg und schief, wenn es gilt tanzende Frauenbeine oder hübsche Häuser einzufangen.
Diese frühen Streifen muten heute im Vergleich mit Francos restlichem Werk etwas bieder an: es sind harmlose (wenn auch hier und da mal etwas unerwartet freche & kecke) Blödeleien, durchzogen von Gesang und Tanz, stilistisch überwiegend arg konventionelle Unterhaltungsfilme, wie sie im franquistischen Spanien jener Jahre geradezu entstehen mussten. Diese Harmlosigkeit hing nicht zuletzt damit zusammen, das „Tenemos 18 años“ trotz seiner heute eher bieder wirkenden Ausrichtung seinerzeit in Spanien mit einem (zum Titel passenden) Jugendverbot belegt worden war; entsprechend hielt sich Franco fortan (für zwei, drei Jahre) ein wenig zurück. Gleichwohl lassen die weiblichen Detektive in „Labios rojos“ bereits ahnen, dass Franco später clevere Agentinnen, verführerische, mordende, verbrecherische Superschurkinnen, übernatürlich begabte, intelligente Vamps in Szene setzen sollte, die in all ihrer Stärke dem traditionellen Frauenbild des franquistischen Spaniens vollkommen entgegenstehen: Dass Jess Franco schon früh in seiner Karriere mit „gender conventions of the genres in which he worked and the times in which he lived“[1] spielte, wird angesichts seiner umstrittenen Women in Prison-Filme oftmals vergessen.
Ganz anders als die ersten Gehversuche muss dagegen „Gritos en la noche“ eingestuft werden: Die sich zu Beginn der 60er Jahre etwas lockernden Zensurbestimmungen des Franco-Regimes haben es Franco ermöglicht, seinem (zuvor nur sanft erahnbaren) Faible für den phantastischen Film Ausdruck zu verleihen. „Gritos en la noche“ gilt als Geburtsstunde des spanischen Horrorfilms und ist ein populäres Beispiel für die gelockerte Filmpolitik des Landes, gleichwohl diese noch immer ambitionierten (und vor allem: politischen) Filmschaffenden zu schaffen machte: Pere Portabella etwa, den Franco über die gemeinsame Jazz-Vorliebe kennenlernte, drehte noch 1970 mit „Cuadecuc Vampir“ eine experimentelle, essayistische Meditation über den konventionellen, berechenbaren Punkt des Genrefilms (also auch des Horrorfilms), indem er Francos Dreharbeiten zu „El Conde Dracula“ (1970) festhielt – vom subversiven Kino, von dem Portabella träumte und welches als subversives Kino per se schon gegen die Zensurvorgaben revoltierte, war auch der Horrorfilm noch weit entfernt, auch wenn er 1962 inmitten eines franquistischen Nationalkatholizismus geradezu erfrischend neu & offenherzig anmuten musste. (Eben so erfrischend neu, dass ein Francisco-Franco-Anhänger wie Casas kaum noch positive Worte für die neuen Werk des Jesus Franco haben mochte.)
Neu war „Gritos en la noche“ freilich bloß als erster spanischer Horrorfilm[2]: an sich war dieser Film schon zur Entstehungszeit herrlich altmodisch – in s/w-Bildern, die in den Nachtszenen wundervoll kontrastreich ausfallen und in denen Franco nicht nur auf schräge Kameraeinstellungen setzt, sondern auch bereits mit einem spürbar anwachsenden Stilwillen den Raum in seine Tiefe hinein über Betonungen von Vorder- und Hintergründen ausnutzt, frönt er deutlich seiner Vorliebe für den Universal-Horror der 30er und 40er Jahre. Doch nicht nur Universal Horror schlug sich nieder: auch deutliche Anleihen bei den Edgar Wallace-Verfilmungen „The Dark Eyes of London“ (1939) & „Die toten Augen von London“ (1961) sind anzutreffen; ebenso bilden die beim poesievollen Thriller „Les Yeux sans visage“ (1960) des Kinopoeten Georges Franju angelehnte Gesichtstranplations-Thematik und das Mad Scientist-Motiv Beispiele für einen reflexiven Umgang mit der Geschichte des Genres. Dabei fällt die Geschichte selbst äußerst simpel aus: Dr. Orloff (Howard Vernon) lässt von seinem glubschäugigen Faktotum leichte Mädchen entführen, um mit ihrer Haut das durch einen Unfall verunstaltete Gesicht der eigenen Tochter wieder herzustellen – am Ende jedoch wendet sich das Monstrum gegen seinen Herrn. Mit der an Bezügen reichen Gestaltung der schlichten Geschichte jedoch „machte Franco diese selbstreflexive Brechung, die sich im europäischen Arthouse-Kino auszubreiten begann, auch für Genrefilme fruchtbar“[3].
Mit „Gritos en la noche“ hat Franco nicht bloß einen denkwürdigen Beitrag im spanischen Kino unter Franco geliefert, sondern zugleich auch einen wichtigen Markstein in seinem eigenen Werk: dem Horrorfilm sollte er bis zuletzt treu bleiben, die Figur des Dr. Orloff sollte beständig in seinen Filmen wiederkehren – und im Jean Pierre Melville-, Sacha Guitry-, Henri Decoin-, & Fritz Lang-geprüften Darsteller Howard Vernon fand er einen Begleiter, der bis zu seinem Tod in knapp drei Dutzend Francos mitwirkte. Bereits im folgenden „La Mano de un hombre muerto“ (1962) war Vernon wieder mit dabei; der weniger zitatlastige, dafür aber bereits weit raffinierter in Szene gesetzte Gruselkrimi ist nicht nur ein hübsches Beispiel für Francos schnell voranschreitendes filmhandwerkliches Geschick, sondern auch noch eine Radikalisierung der zuvor nur untergründigen Erotik: beschränkte sich die Erotik in den früheren Filmen auf die Präsentation von Revuemädchen mit bisweilen zweifelhaftem Ruf, taucht hier bereits mit der Auspeitschung einer halbnackten Frau explizit die fortan eine immer größere Rolle spielende S/M-Erotik auf.[4] Ein must-see für Franco-Fans!


Dr. Orloff, Sumuru, Dr. Mabuse, Fu Manchu und...

Das Motiv in „Gritos en la noche“, das Franco in der nächsten Jahren am häufigsten wiederholen sollte, war der Mad Scientist. Während die Gesichtstransplantation über die nächsten Jahre hinweg nur recht sporadisch Verwendung finden sollte (etwa in „Miss Muerte“ (1966), ziemlich variiert in „La chute de la maison Usher“ (1982) und „El siniestro doctor Orloff“ (1984), in „Faceless“ (1988)), begleitete der Mad Scientist Francos Filme für ein gutes Jahrzehnt recht regelmäßig – aus dem persönliche Interessen verfolgenden Dr. Orloff wurde dabei schnell das nach Weltherrschaft gierende, kriminelle Supergenie. Im etwas schwächeren Sequel „Secreto del Dr. Orloff“ (1964) ist es der obskure Dr. Jekyll, der mit Orloffs Forschungsergebnissen aus Toten willenlose Diener macht, dabei aber noch durch persönliche Gründe motiviert ist.
In „Cartes sur table“ (1966) – einem zusammen mit dem großen Jean-Claude Carrière geschriebenen und mit Eddie Constantine und Fernando Rey erstklassig besetzten, humoristischen Sci-Fi-Thriller – tritt Eddie Constantine in gewohnter Lemmy Caution-Manier als Al Pereira (eine Heldengestalt, die noch in Francos letztem Film „Al Pereira vs. the Alligator Ladies“ (2012) auftreten wird!) gegen einen Superschurken an, der über eine Armee willenloser und gefügig gemachter Menschen verfügt und sie zur „Attack of the Robots“ (so der US-Titel) aufhetzt. Der in seinem Trailer deutlich an den Godard-Trailern für „Pierrot le fou“ (1965) und „La mepris“ (1963) angelehnte Sci-Fi-Agenten-Klamauk strebt ein wenig in die Richtung von Godards absurder (und ebenfalls mit Howard Vernon besetzter) Lemmy Caution-Hommage „Alphaville, une étrange aventure de Lemmy Caution“ (1965) und setzt auf ironische Distanz und Übertreibung von Klischees – selbst der katholische Filmdienst konnte sich in Ansätzen dafür begeistern: „Eine fröhliche Verulkung des Agentenkinos.“[5] „Die üblichen Eddie-Constantine-Effekte (harte Faustkämpfe, Flirt mit schönen Frauen) werden mit bemerkenswerter Distanz dargeboten, indem sie ironisch überhöht werden.“[6] Auch in „Bésame Monstruo“ schlägt sich ein weibliches Duo mit allerlei Gruppierungen herum, die an der ominösen Formel Dr. Bertrands interessiert sind, mit welcher sich eine Rasse von Supermenschen züchten und befehligen lässt. Und in „Miss Muerte“ (einer der Höhepunkte in Francos Schaffen) kann sich der diabolische Dr. Z Menschen gefügig machen, wovon nach seinem Tod die eigene Tochter Gebrauch macht um seine Kollegen zu richten, denen sie die Schuld am Dahinscheiden des Vaters zuschreibt. In seinem freien Remake „Sie tötete in Ekstase“ (1971) wird von dieser Technik zwar kein Gebrauch mehr gemacht, aber sie bildet zumindest noch den Aufhänger für das Dahinscheiden des Wissenschaftlers, dessen Partnerin nun die Ethik-Spezialisten unter seinen Kollegen zur Rechenschaft zieht.
Mit solchen Stoffen lag es nur nahe, dass Franco im Rahmen der James Bond-Welle und des frisch wiederbelebten Dr. Mabuse auch die prominenten Superschurken der Filmgeschichte aufgreifen sollte: Die Amazonendespotin Sumuru lässt er im schön bunten und charmant verkitschten „Die sieben Männer der Sumuru“ (1969) ein nach Macht gierendes Amazonenheer formieren, der sadistische Fu Manchu (Christopher Lee) verleitet in „The Blood of Fu Manchu“ (1968) willenlose Mädchen zum Mord an seinen Feinden. Und auch an Dr. Mabuse vergreift sich Franco und lässt in „La Venganza del Doctor Mabuse“ (1972) einen sinisteren Doktor mittels Hypnose und gehorsamen Faktotum nach einer gefährlichen Strahlenwaffe greifen. Diese Allmachtsphantasien gefährlicher Superverbrecher konnte Franco auch ohne Armeen willenloser Menschen, ohne Hypnose oder Zombiesklaven umsetzen: In „The Torture Chamber of Fu Manchu“ (1969) erpresst der asiatische Schurke die Öffentlichkeit mit seiner Kältemaschine.
Überhaupt kann man – teilweise ins Phantastische erweiterte – Kriminalfilme als einen der großen Hauptbezugspunkte der Francos zwischen 1962 und 1972 bezeichnen: „Rififí en la ciudad“ (1963) ist ein kreativer, reißerischer kleiner Politthriller, mit dem Franco seine film noir-Vorliebe ebenso auslebt, wie auch seine musikalische Begeisterung; eine sorgfältige Kameraarbeit, die durchdachte Montage, der Einsatz der Tonspur und die für Franco recht aufwändig anmutende Ausstattung machen den seriösen Thriller zu einem kleinen Höhepunkt unter Francos frühen Filmen. Nicht weniger aufwendig, in seinen s/w-Bildern etwas kontrastreicher und in seinen Nachtclub-, Prügel- & Schusswechsel-Sequenzen noch deutlich dynamischer gibt sich „La Muerte silba un blues“ (1964) – mit Franco als Saxophonist – über eine Rachegeschichte unter Waffenschmugglern.[7] Der mit Constantine und Vernon besetzte Technicolorstreifen „Residencia para espías“ (1966) über einen US-Agenten, der in Istanbul auf seine frühere Verlobte und amerikanische Doppelagenten trifft, und der comicartig überzogene, humoristische und höchst selbstironische „Lucky, el intrépido“ (1967), dessen Held sich am Ende versehentlich selbst in die Luft jagt, scheinen – wie auch „La Muerte silba un blues“ – im Gegensatz zu „Rififí en la ciudad“ nicht einmal als spanische DVD vorzuliegen. Gut greifbar ist dagegen der eher unbedeutende Nachzügler zum eher unbedeutenden „Bésame Monstruo“ – „Sadisterotica“: eine anspielungsreiche Variation von Cormans „A Bucket of Blood“ (1959) und den vorangegangenen Wachsfigurenkabinett-Filmen von Curtiz und De Toth, in der zwei Detektivinnen einem obskuren Künstler und (einmal mehr!) seinem entstellten Faktotum auf die Schliche zu kommen trachten.
Von diesen Kriminalfilmen und Spionagethrillern sind es überwiegend gerade nicht die bekannteren Titel aus den späten 60ern und frühen 70ern, mit denen Franco in internationalen Koproduktionen auf bereits bestehende Filmreihen aufgesprungen ist – also nicht die Bryan Edgar Wallace-Verfilmungen „Der Teufel kam aus Akasava“ (1971) & „Der Todesrächer von Soho“ (1971), nicht die mit Christopher Lee prominent besetzten Beiträge zur Fu Manchu-Reihe, nicht das reichlich schluderige Dr. Mabuse Plagiat –, sondern die seit „Gritos en la noche“ bis 1966 entstandenen spanischen oder spanisch-französischen Streifen, in denen Franco sich als souveräner und routinierter Filmemacher zeigt. Diesen Franco gilt es (nicht nur) hierzulande wiederzuentdecken... es lohnt sich, auch wenn sich in ihm die typischen Francozismen des Hauptwerkes kaum oder noch gar nicht zeigen!


...der kleine Dr. Marcuse!

Francos Beschäftigung mit den Superschurken verdankt sich sicherlich in erster Linie seiner Vorliebe für reißerische Genrefilme und Comics; aber wie so oft, wenn in mehr oder weniger deutlich repressiven Gesellschaften Kunstwerke über tyrannische Machtmenschen entstehen, liegt auch die politische Auslegung dieser Werke nahe. Franco hatte sich nach Freigabe-Problemen seines Debut-Spielfilms ein wenig in Selbstzensur üben müssen. Als er im Zuge sich lockernder Zensurbestimmungen die ersten Horrorfilme inszenierte (und das als so ziemlich einziger spanischer Filmemacher), da musste er für sein Heimatland mildere Fassungen anfertigen; zudem hatte er die horriblen Ereignisse in anderen Ländern anzusiedeln, um nicht als Nestbeschmutzer mit den Zensoren zusammenzustoßen; bei der Arbeit an seinem Sequel zu „Gritos en la noche“ musste er mit einem eingeschrumpften Budget leben und bei „Miss Muerte“ hatte er erheblich Mühe, den Film überhaupt umsetzen zu können...[8]
Man benötigt nicht viel Phantasie, um die diversen Unterdrückungsversuche durch vielfältige Superverbrecher, die gerade auch in Francos im Ausland entstandenen Filmen zwischen 1968 und 1969 deutlich zutage treten, als Abrechnung Francos mit der Bevormundung durch die Zensur Franco-Spaniens zu deuten. Durchgeführt werden solche Deutungsansätze – gerade auch im Zusammenhang mit Portabellas subversiven „Cuadecuc vampir“ – immer wieder an Francos „El Conde Dracula“ (1970): Lee/Dracula als Francisco Franco... der Diktator als Monster.[9] (Und bezogen auf den Portabella bedeutete das dann auch: Lee, der sich als Dracula in Szene setzt, als Francisco Franco, der sich als Diktator in Szene setzt.) Wie „El Conde Dracula“ und „Cuadecuc vampir“ nun tatsächlich (auch unbewusst) intendiert waren und wie sie seinerzeit vom spanischen Publikum (auch unbewusst) aufgenommen worden waren, sei dahingestellt. Die Existenz der Diskussion solcher Deutungsmöglichkeiten allein zeigt bereits das subversive Potential von Francos despotischen Figuren.
Neben der Repression durch die Schurken Dracula, Fu Manchu und Mabuse als Bild eines repressiven Franquismus, kann in Francos Motivik zugleich eine Rebellion gegen die Repression gesehen werden: „Jesús Franco's interest in horror, in pornography, and in the pulp imagery of superspies and musclemen can be seen as an effort to represent all that the Fascist government had officially repressed.“[10] Und je zurückhaltender die Filmzensur in Spanien (und nicht nur dort) auf Sex und Gewalt und Blasphemie reagierte, je stärker Franco seine Arbeit als Filmemacher nach Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Luxemburg, Belgien usw. verlagerte, desto heftiger konnte diese Rebellion des Filmemachers ausfallen – bishin zu Splatterszenen und Pornographie. Als rebellischer Filmemacher setzt Franco ab Mitte der 60er mehr und mehr seine Große Weigerung in Szene: Während der frisch auferstandene Dr. Mabuse durch die Inhalte seiner Filme geisterte, schien Dr. Marcuse, eine der 68er-Ikonen, in deren Form herumzuspuken. Wenn die Kunst – wie bei Marcuse angenommen – die (dem Tabu unterworfenen) Urbilder der Freiheit entgegen des jeweils geltenden Realitätsprinzips darlegt, dann ist Franco ein gegen das Realitäts- & Leistungsprinzip rebellierender Künstler par excellence: zumal er Ende der 60er Jahre damit beginnt, Eros den Todestrieb absorbieren zu lassen (Marcuses große Utopie!)...
Diese Tendenz nimmt bereits in den Superschurken-Streifen ihren Anfang, um sich schließlich mehr und mehr zu verselbstständigen – unübersehbar ist die Tendenz Francos, die Bedrohung durch Miss Muerte, durch Fu Manchu und Sumurun erheblich zu erotisieren: Miss Muerte verführt ihre Opfer und infiziert sie über einen kleinen Kratzer mit ihrem Fingernagel mit einem tödlichen Gift, Fu Manchu lässt seine Widersacher von bildhübschen, aber leider giftigen Mädchen im wahrsten Sinne zu Tode küssen und die dezent lesbische Amazonenherrin Sumurun befehligt eine Armee schöner Frauen in aufreizender Fetisch-Kleidung, die all jene Männer zu morden haben, die sich Sumurun nicht unterordnen wollen. Was in diesen naiven Horrorfilmen und ironischen Science-Fiction-Thrillern als erotisierte tödliche Bedrohung plakativ anmutet und von Franco daher zumeist als Camp zelebriert wird, mutet dagegen in jenen Filmen, die sich in erster Linie als Erotikfilme darbieten, subtiler an: die Liebe bis zur Selbstaufgabe & -auflösung und die verschlingende, vollständig vereinnahmende Liebe, die bei Franco vielfach vampiristische Züge annimmt. In den 60er Jahren kamen bloß zwei solcher Francos heraus: „Necronomicon – Geträumte Sünden“ (1967) und „Paroxismus“ (1969).
„Necronomicon – Geträumte Sünden“ lief seinerzeit ziemlich erfolgreich, wurde von Fritz Lang überschwänglich gelobt und gilt inzwischen (mit seiner Gulda-Tonspur und den Lagerfeld-Kostümen) als einer der großen Klassiker im ?uvre Francos: Lorna Green (Janine Reynaud) räkelt sich als mörderische femme fatale durch nur scheinbar tödlich endende S/M-Bühnenshows... privat wird sie von Alpträumen heimgesucht, die auch Erinnerungen darstellen könnten; in ihnen flirtet sie zu Beginn und mordet am Ende: die Opfer (darunter Howard Vernon) sind im Nachhinein offenbar tatsächlich tot. Immer wieder taucht ein unheimlicher Fremder auf, der Lorna in seiner Befehlsgewalt zu haben scheint. Und Lornas Freund William (Jack Taylor) bietet nur scheinbar Halt: tatsächlich ist er als sadistischer Voyeur bestrebt, sie zum Sexualmord an ihren Bühnenpartnern zu verleiten – und sie anschließend erschießen zu lassen. Alles scheint zu klappen: Lorna mordet, William schaut zu und genießt, Lorna flieht, Schüsse im Off. William fährt davon, daheim wartet jedoch Lorna auf ihn: ein letzter Kuss – derweil schiebt sie ihm einen Dolch durch den Hals. Die Erschöpfung danach: „Ruhe, nur Ruhe. Ich bin erschöpft. Ich will vergessen und schweigen. Ruhe, Einsamkeit und Stille...“ Der mysteriöse Fremde, zugleich der angeheuerte Auftragskiller, fährt sie anschließend auf das Traumschloss ihrer Alpträume: „Ich werde Ihren Schlaf bewachen.“ Einige Fragen bleiben offen: handelte es sich bloß um tödliche Intrigen in der Dreiecksbeziehung zwischen drei sadistischen Lustmördern? (Also eine Vorwegnahme seines hübschen „Eugenie“ (1970)...) Oder ist Lorna doch besessen oder gar ein übernatürliches Wesen, ein „Succubus“ (so einer der Alternativtitel) und der Fremde der Leibhaftige? Ein eingestreutes Märchen über einen Prinzen, der eine unbekannte Fremde ehelicht (so schön, als wäre sie nicht von dieser Welt!), sie einen Palast bauen lässt (ebenfalls so schön, als wäre er nicht aus dieser Welt!) und von ihr eines Tages plötzlich erdolcht wird, legt letztere Deutung nahe: die Frau ergreift die Hand des Sterbenden und erinnert sich daran, den Palast bereits gesehen zu haben – es war der Palast Luzifers. Nahezu alle Handlungsmomente über Bord werfend, mutet der späte „Paula-Paula“ (2010) wie ein freies Remake an: das Märchen findet auch dort Verwendung und bleibt so ziemlich der einzige Fixpunkt im völlig uneindeutig geratenen Film – typischer Franco im Endstadium.
„Paroxismus“ ist dann der bis dahin beste Franco, höchstwahrscheinlich gar sein Opus Magnum (Francos „Vertigo“) – und das trotz gravierender Auflagen durch den Produzenten und die Verleiher: eine ganz nebensächliche Sacher-Masoch-Episode, die sich auch im US-Titel „Venus in Furs“ niederschlägt, ist von Produzentenseite gefordert worden. (Immerhin: eine wahrhaft geile Szene, in der Klaus Kinski von seiner Herrin zum Hahnrei gemacht wird...) Und aus der ursprünglichen Beziehung zwischen einem farbigen Musiker und einer weißen Frau, musste Franco eine Beziehung zwischen einem weißen Mann und einer farbigen Sängerin machen: offenbar ging man beim US-Verleih seinerzeit davon aus, sowas dem Kinopublikum nicht zumuten zu können; eine ekelhaft rassistische Haltung, die zudem nicht weniger sexistisch ist. Herausgekommen ist trotz aller Auflagen dann doch ein wundervoller Film: Jazz-Trompeter Jimmy findet eine verstümmelte, angespülte Frauenleiche am Strand – Wanda Reed. Einige Zeit zuvor hatte er fasziniert zugesehen, wie einige sadistisch veranlagte Bekanntschaften von ihm (darunter eine Lesbe) die halbnackte Wanda gedemütigt, gepeitscht und mit Messern geschnitten haben. Als er dann in Rio eine Frau (im Pelz!) entdeckt, die Wanda bis aufs Haar gleicht, kann er nicht mehr von ihr lassen – er beginnt eine Affäre mit der Frau, die vorgibt, nicht zu wissen, wer sie ist... Jimmy mutmaßt darin einen Distanzierungsversuch, die gemeinsame Nacht scheint Beginn und Ende der Affäre zugleich zu sein – doch die schöne Unbekannte entgegnet, für sie spielen Begriffe wie Anfang und Ende schon seit langem keine Rolle mehr. Diese Haltung teilt auch Jimmy selbst seit einiger Zeit und schließlich immer häufiger. Wandas Peiniger werden derweil nach und nach von dieser Frau aufgesucht, verführt und hingerichtet. Die Polizei ermittelt, Jimmy will mit der Frau seiner Träume fliehen, verliert sie aus den Augen, stößt auf Wanda Reeds Grabstein – und schließlich (erneut am Strand) auf den eigenen angespülten Leichnam. Wie man diese Liebe bis in den Tod konkret zu verstehen hat, bleibt unklar – so unklar wie die teilweise extrem eingefärbten, verschwommenen Bilder selbst: die Handlung wird von Rückblenden und Erinnerungen durchzogen, der alles kommentierende Protagonist wird sich immer unsicherer, was wann geschehen ist, die Verrätselung des Undurchsichtigen gelingt bestens. Hat da der Liebhaber einer Verstorbenen selbst unbemerkt das Leben während dieser Liebe ausgehaucht? Oder ist er bloß durch sie wahnsinnig geworden? Oder trifft auch ihn als faszinierten Zeugen von Wandas Peinigung eine schwere Schuld, die ihn nach dem Tode nötigt, die Ereignisse immer wieder zu wiederholen: ohne Beginn und ohne Ende...?
Beide Filme verweigern sich eindeutigen Auslegungen und kreisen dabei um Verschmelzungen von Liebe und Tod: in „Necronomicon – Geträumte Sünden“ noch etwas weniger beeindruckend – nämlich als Lust am Töten, als extremer Sadismus, wobei die interessantere Variation schon eine Rolle spielt (nämlich als Abhängigkeit Lornas vom Freund und vom Fremden, in der sie sich selbst völlig bis zum Identitätsverlust verliert) –, in „Paroxismus“ schon weit vieldeutiger und subtiler. (Und auch die Form hat sich erneut entwickelt: satte Farben, durchdacht eingesetzte Signalfarben, Farbfilter, Verzerrungen des Bildes, artifizieller, rascher Schnitt neben chilligen langen Einstellungen, jazzlastiger Soundtrack samt Titelsong-Ohrwurm...)


Franconomicon

Das Ende der 60er und der Anfang der 70er: dieser kurze (aber in jeder Hinsicht spannende) Zeitraum stellt geradezu eine Art Konzentrat nahezu aller Themen und Motive Francos dar – Zeit für eine kleine Bestandaufnahme...
In „Necronomicon – Geträumte Sünden“ findet ein Motiv, das Franco auch zuvor schon nutzte, eine beinahe systematische Verwendung: das Wasser nämlich (das in anderen Francos besonders als Meer in Erscheinung tritt). Es ist bei Franco mit seiner Vorliebe für Strand-Szenarien mehr als bloß ein hübsches Postkartenmotiv. Zu Anfang, in seinem Debutspielfilm, findet das Meer noch ganz zufällig Verwendung; aber nun kommt ein System hinzu: Das Traumschloss Lornas, in welches sie am Ende des Films zurückkehrt, liegt nicht zufällig direkt am Wasser. Schon ihr letztes Liebesspiel mit William vor seinem Verrat wurde von Franco durch ein Aquarium hindurch gefilmt. Das Filmplakat verkündete seinerzeit: „Sie dürstet nach Liebe und ertrinkt in der Lust.“ Was will Franco mit seiner Koppelung von Eros und Wasser erreichen? Im Prinzip wird die Frage durch die Tagline bereits beantwortet... Wenn die Liebe und die Erotik (wie der Tod) dazu beitragen, dass der diskontinuierliche Mensch Kontinuität erfährt – wie Bataille es formuliert –, dann ist das Wasser, in dem man ertrinken kann, ein perfektes Bild für solch eine Kontinuität: im Wasser verschmilzt jeder Tropfen mit den übrigen zu einer Einheit... im Wasser kann man lückenlos eingeschlossen, vollkommen von ihm umgeben werden... in den weiten des Meeres liegt zudem der Eindruck des Unbegrenzten. „Paroxismus“ wird in dieser Hinsicht expliziter: Jimmy, der sich in einem seltsam zeitlosen, zirkulären Strudel ohne Anfang und Ende wähnt, orakelt immer wieder „I was trapped in a whirlpool“ oder „Time is like the ocean“. Das ist kein Zufall mehr, sondern ein Leitmotiv: In „Christina, princesse de l'érotisme“ (1973) schreitet man am Ende im Tode vereint in einen Teich hinein, in „La comtesse noire“ (1973) räkelt sich die Sexvampirin Lina Romay unter den Augen des Voyeurs Franco in einer Badewanne in den Tod, in „La comtesse perverse“ (1974) trägt der Mann das tote Objekt seiner Begierde ins Meer hinein, wo er ertrinkend wieder mit ihr vereint ist, in „Die Marquise von Sade“ (1976) stirbt Lina Romay den lustvollen Tod im Pool, nachdem ihre zweite Hälfte verstorben ist (und die Kamera zoomt so nah an die Vagina unter der Wasseroberfläche, dass ihre Formen in den reflektierenden Wellen bis zur Unkenntlichkeit verschwimmen), in „Die Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne“ (1977) wird ein Ufer überschwemmt, als ein Beichtvater seinen Orgasmus bekommt, in „Mondo Cannibale“ (1980) kämpfen der künftige Gatte und der Vater des Mädchens aus dem Dschungel in einem Fluss um sie... Beispiele dieser Art lassen sich zuhauf finden. Aber die Verschmelzungsphantasien von Liebe und Tod werden nicht durchweg direkt mit dem Wasser in Verbindung gebracht – in „Vampyros Lesbos“ (1971) reicht schon das bloße anfängliche Zoomen auf das weite Meer um die existenzgefährdende Verführung durch die geile Vampirin einzuleiten; es ist im Grunde unnötig, dass Franco dann noch einige der Verführungskünste am Strand in Szene setzt... Und vielleicht liegt in dieser metaphorischen Aufladung des Wassers und des Meeres auch der Grund dafür, dass der Succubus Lorna in „Les Possédées du diable“ (1974) Krebse im Schambereich einer Frau auftauchen lässt und eines seiner Opfer von Howard Vernon mit einem Riesenmuschel-Schlagring bearbeiten lässt.
Ein anderes Motiv erhält in „Necronomicon – Geträumte Sünden“ seine mehr oder weniger endgültige Form: aus den Revuemädchen-Auftritten der frühen Filme wurden über die Nachtclub-Auftritte der „Miss Muerte“ die sadomasochistischen Bühnenshows, die Franco immer wieder inszenieren sollte. Die mit Messerklingen oder Peitschen hantierenden Frauen, die gefesselte Männer und Frauen malträtieren und mit ihnen vor einem schaulustigen Publikum schaurig-schöne Lustmorde inszenieren, tauchen immer wieder auf: in „L'Éventreur de Notre-Dame“ (1974) in der reinsten Form, in „Paula-Paula“ etwas abstrakter. Unreine Variationen finden sich in den zahlreichen Frauengefängnis-Filmen, von denen Franco nach den frühen Fingerübungen „Der heiße Tod“ (1969) und „Quartier de femmes“ (1974) noch zahlreiche folgen ließ: in der Regel fehlt in ihnen der Show-Charakter, es fehlt das Publikum, wenngleich der Charakter des inszenierten Rollenspiels mitunter gewahrt bleibt – in „Frauengefängnis“ (1975) tritt das ganz deutlich zutage, wenn die Lageraufseherin eine Insassin dazu nötigt, sie beim Sex zu ohrfeigen... Was im Striptease (der sich durch die allermeisten Francos zieht), im Rollenspiel, im sadistischen oder sadomasochistischen Akt nur zersplittert aufscheint, das zeigt sich in den S/M-Bühnenshows in seiner ganzen Vollkommenheit: Hier wird nicht nur eine Erotik ausgelebt, deren Ideal die völlige Auflösung ist (der feuchte Traum des Masochisten, der nur Traum bleiben will: Lusterfahrung bis in den Tod, den der/die Geliebte schenkt), sondern auch gleich die Inszenierung und Rezeption dieser Erotik. Was Franco in anderen Filmen relativ ungebrochen inszeniert (etwa die Verführungen & Morde in „Paroxismus“ oder im wirklich schönen „Sie tötete in Ekstase“ (1971)), das gerät hier zur Inszenierung in der Inszenierung, zur Selbstbespiegelung, wobei der Zuschauer sich selbst im Performance-Publikum in den Filmen wiedererkennen und seine eigene Rolle reflektieren kann. In „Eugénie“ (1975 aufgeführt, 1970 gedreht) wird Franco wohl am deutlichsten: er selbst stößt als Ermittler auf einen Snuff-Film und betrachtet daraufhin quasi das, was er dem Kinopublikum die ganze Zeit präsentiert hat.
In „Necronomicon – Geträumte Sünden“ tritt auch Francos Beschäftigung mit der Hochkultur so deutlich zutage, wie in kaum einem anderen seiner Filme. Diese Thematik taucht – gerade in den späteren Werken – eher selten und zurückhaltend auf: manchmal in den Soundtracks, die nicht nur aus psychedelischen Klängen und Jazz, sondern beispielsweise auch aus Liszt („Sinfonía erótica“ (1980)) bestehen, in Dialogen (etwa Geplauder über Boris Vian in „Le miroir obscène“ (1973) oder augenzwinkernde Anspielungen auf Bresson in „Miss Muerte“), in Montage-Eskapaden im Stil der nouvelle vague (etwa im Kriminalklamuak „Midnight Party“ (1975))... Eine Ausnahme stellt sicher die Cervantes-Verfilmung „Don Quijote de Orson Welles“ (1992) dar, bei der es sich jedoch bloß um eine (eher ärgerliche) Vollendung eines von Orson Welles nicht beendeten Filmprojekts handelt.[11] In der Regel überwiegte allerdings eine Konzentration auf einige wenige (und nicht immer hochkulturelle) kanonisierte Werke der phantastischen und der erotischen Literatur (auf Le Fanus lebische Vampirin, auf Dracula und Frankenstein, auf de Sade, Sacher-Masoch, Pauline Réage)... „Necronomicon – Geträumte Sünden“ lässt ahnen, dass Francos Interessen breiter gefächert waren: Der Vorspann legt Friedrich Gulda über Ausschnitte von verschiedenen Gemälden – Cranach und Bosch lassen sich leicht ausfindig machen, alles zuzuordnen fällt jedoch schwer (zu klein die Ausschnitte, zu schnell montiert) –, wobei die Collage aus freien Brüsten, Blicken, Blut und Totenschädeln einige Elemente des Films vorwegnimmt. Im weiteren Verlauf wird Adrian Hoven in einer recht schwachen Variation der orgiastischen Feiern in Fellinis „La dolce vita“ (1959) ein bisschen Goethe zitieren... Mit statischen Einstellungen, in denen die Figuren gemeinsam in die Kamera (oder mit dem Rücken zueinander in vollkommen verschiedene Richtungen) schauen, während sie (folglich ohne Blickkontakt) miteinander reden, lässt Franco Godard anklingen... (Und in „Paroxismus“ wird er noch deutlicher mit Einstellungen, in denen die Figuren erstarrt und steif verharren, Resnais, Robbe-Grillet und ihrem „L'Année dernière à Marienbad“ (1961) huldigen.) Zwischendurch spielen Vernon und Reynaud Assoziationsspielchen mit Stripeinlagen – mal clever („Hitchcock – Auge“), mal platt („Geschichte von O – Georges Bataille“): auf Vernons „Godard“ entgegnet Reynaud noch „Zitrone“, nach „Robbe-Grillet“ jedoch ist sie sprachlos und gibt ihr erstes Kleidungsstück ab... Dass Franco Robbe-Grillet nahe stand, verwundert angesichts der gemeinsamen Vorliebe für spielerisch inszenierte S/M-Erotik wenig; das Verhältnis zu Godard ist weniger offensichtlich: doch ehe man die Zitrone jetzt als Schmähung interpretiert, sollte man sich nicht nur Francos Godard-Variation „Cartes sur table“ in Erinnerung rufen, sondern einfach jene Sequenz abwarten, in der dann schließlich diese schöne Äußerung fällt: „Bunuel, Fritz Lang, Godard sind nicht veraltet: sie haben gestern Filme gedreht für morgen und jeden Tag lernen wir sie besser verstehen.“ (Wen wundert es da, dass Fritz Lang „Necronomicon – Geträumte Sünden“ zum wunderschönen Stückchen Kino deklarierte.) Diese Nähe zu Godard verwundert weniger, wenn man an dessen zugleich ernsthafte & unernste Art denkt – und an dessen Vorliebe, ganz ungeniert zwischen Hoch- und Populärkultur zu wechseln... es besteht in dieser Hinsicht durchaus eine Überschneidung zwischen dem frühen (1960-1967) Godard und dem Franco der späten 60er und frühen 70er Jahre.
In der Phase der späten 60er und frühen 70er finden sowohl noch die Motive des klassischen Horrorfilms, an denen sich Franco zuvor schon spürbar orientierte, als auch die Motive des Sadomasochismus, dem er sich fortan bevorzugt widmen sollte. In „Necronomicon – Geträumte Sünden“ treten Lugosi-Dracula, Frankensteins Karloff-oder-Glenn-Strange-Monster, das Lon-Chaney-Phantom der Oper (und Godzilla) als Miniaturfiguren auf; handlungsrelevanter geben sich die Anleihen beim klassischen Horrorfilm in „El Conde Dracula“, „Vampyros Lesbos“, „Drácula contra Frankenstein“ (1972), „La Maldición de Frankenstein“ (1972), „La Fille de Dracula“ (1972) und „La Comtesse noire“. In den back to back-Produktionen „La comtesse perverse“ und „Plaisir à trois“ (1974) hallen spürbar Schoedsacks „The Most Dangerous Game“ (1932) bzw. Curtizs „Mystery of the Wax Museum“ (1932) nach – ebenso lassen sich in „Bésame Monstruo“ Spuren des Curtiz-Klassikers und dessen Corman-Plagiat finden, sowie eine Huldigung Mario Bavas in „Necronomicon – Geträumte Sünden“. Von den Gestalten des klassischen Horrorfilms und seinen literarischen Vorbildern lässt Franco in späteren Filmen ebenso ab, wie von den bereits angesprochenen Superschurken: nur noch sporadisch tauchen Anleihen bei Oscar Wilde („Die Marquise von Sade“), E. A. Poe („La Chute de la maison Usher“ (1980)), Bram Stoker („Macumba Sexual“ (1982)), Mary W. Shelley („Lust for Frankenstein“), J. S. LeFanu („Vampire Blues“ (1999)) oder R. L. Stevenson („Paula-Paula“) auf – und bleiben dabei oftmals nahezu unsichtbar. (Eine kurzes Aufleben lässt sich allerdings zwischen 1996 und 1999 beobachten.) Der Sadomasochismus, der mit „Necronomicon – Geträumte Sünden“ in sein Werk tritt, zieht sich fortan allerdings wie ein roter Faden durch Francos ?uvre: sowohl in Francos Arbeiten unter dem Produzenten Towers[12], als auch in den qualitativ eher minderwertigen Arbeiten für Erwin C. Dietrich[13] lassen sich sadomasochistische Figurenbeziehungen (oder sadistische, die der Zuschauer als sadomasochistische Phantasie genießen kann) zuhauf finden. Künstlerische Höhepunkt bilden auf diesem Gebiet die dazwischen entstandenen Arbeiten für Robert De Nesle (der auch George Franjus „Judex“ (1963) produzierte): „Plaisir à trois“ und „La comtesse perverse“ gehören zu Francos schönsten Filmen über sadistisches Verlangen. Eine speziellere Ausformung dieses Motivs stellt de Sade dar: Franco beginnt eine Reihe von de Sade-Verfilmungen mit „Marquis de Sade: Justine“ und lässt etliche Titel folgen: „Eugenie“, „Eugènie“, „Justine“ (1979), „Eugenie (Historia de una perversión)“ (1980)... und auch „La comtesse perverse“, „Plaisir à trois“, „Sinfonía Erótica“, „Gemidos de placer“ (1983) stellen deutliche de Sade-Variationen dar.
Ende der 60er, Anfang der 70er findet Franco auch zwei Elemente, mit denen er fortan den erotischen Film an den Horrorfilm kitten wird: das Blut und den psychic link. Blut spielt in Francos erotischen Filmen eine weit größere Rolle als manch andere Körperflüssigkeiten: weder Sperma, noch Urin (den Franco ab Mitte der 70er Jahre beispielsweise in „Cocktail spécial“ (1978) oder „Falo Crest“ (1987) ausgiebig in Szene setzt), sondern das Blut stellt für Francos erotischen Filme die ideale Körperflüssigkeit dar, ist doch die Verheißung des Todes, des Selbstverlustes in diesem Bild besonders präsent. In der Regel konzentriert sich Franco auf Verwundungen, die ab „Necronomicon – Geträumte Sünden“ immer wieder in sexueller Ekstase zugefügt werden: in den Folterszenen der Nonnenfilme und Hexenjägerfilme, der de Sade Verfilmungen, der Frauengefängnisfilme... das schönste Bild findet Franco jedoch in „Les Possédées du diable“ (überhaupt einer seiner besten Filme): Pamela Stanford ergreift dort als verführerischer, dämonischer Succubus mehr und mehr Besitz von ihrem Opfer Lina Romay und entjungfert die junge Frau in einer Szene mit einem Dildo, um im Anschluss das Blut der Entjungferten von diesem zu lecken. Die psychic link-Thematik ist ein nicht weniger doppeldeutiges, zwischen Erotik und Horror, zwischen Leben und Tod vermittelndes Element: Was in den Dr. Orloff- & Superschurken-Filmen der 60er Jahre als allmächtiges Fernsteuern und Befehligen von willenlosen Sklaven Verwendung fand, wird später immer stärker in die Richtung der positiv konnotierten Geistesverwandtschaft zwischen Liebenden gedrängt. Der Schrecken des Besitzergreifens bindet sich an die Lust der Verschmelzung: In „Les Possédées du diable“ ist Lina Romay von der geilen Verlockung schlussendlich wahrhaft besessen, im romantisch verbrämten „La comtesse noire“ ruft Lina Romay als lüsterne Sexvampirin ihre Partner und Opfer im Geiste zu sich.[14] In „Paula-Paula“, einem nochmals unerwartet hochwertigen Franco im neuen Jahrtausend, wird dieses Thema dann in sein Extrem getrieben werden.
Was ließe sich noch an zentralen Motiven finden, die sich im Wechsel dieser Jahrzehnte niederschlagen? Erstens: Die Architektur. Rückt Franco, der schon in den ersten Filmen seine Gebäude vielfach aus schrägen Kamerapositionen verklärend betrachtete, in „Necronomicon – Geträumte Sünden“ das Traumschloss Lornas bereits ausgiebig ins rechte Bild, so ist es in seinen Arbeiten für De Nestle vor allem Ricardo Bofills Villa El Xanadu, welche Franco mehrfach in seinen Filmen voller Bewunderung einzufangen weiß. Noch in den 80er Jahren zieht Franco seine ästhetizistischen Bildkompositionen aus der Inszenierung der Architektur: in „Macumba Sexual“, „La Orgías inconfesables de Emmanuelle“ (1982) oder „Gemidos de placer“ widmet er sich mit Elan der ungewöhnlichen Architektur – Franco wirkt dann ein wenig wie der kleine Antonioni des Exploitationkinos, wenngleich seine Architekturinszenierungen recht selbstzweckhaft bleiben – und selbst in einem ziemlich schlechten Gruselsexfilm wie „La Mansión de los muertos vivientes“ (1982) ist der artifizielle Umgang mit der Außenfassade eines Hotels unübersehbar.
Zweitens: Die Musik. Francos Faible, Musiker in Nachtclubs oder Bars bei ihrer Arbeit einzufangen, war von Anfang an bemerkbar. Klassik, Jazz, psychedelic music von Hübler und Schwab und schließlich Punkrock von den Killer Barbies und den Ärzten ziehen sich durch seine Filme. Die Musik bekommt oftmals eigene Auftritte, soll heißen: sie begleitet die Tanz- und Striptease-Nummern, die Sexszenen; in der Nummernrevue etlicher Francofilme ist die Musik gerade in diesen Nummern von großer Bedeutung. Komponiert wurde sie ab „La Mano de un hombre muerto“ in den allermeisten Fällen von Daniel White. Nicht zuletzt Francos Entscheidung, von Jesus Franco auf Jess/Jazz Franco umzusteigen[15] und Clifford Brown als eines seiner Pseudonyme zu wählen, weist auf sein Faible für Musik, insbesondere Jazz hin. (Rosa Maria Almirall Martínez weist mit ihrem Künstlernamen Lina Romay eine ähnliche Vorliebe auf.) In vielen Filmen ist Franco, der auch an etlichen seiner Soundtracks mitgewirkt hat, als Musiker zu sehen.
Drittens: Zoom. Weitwinkel. Gerade um 1970 herum verselbstständigt sich Francos Einsatz von Zooms und Weitwinkelobjektiven. Der häufig als billigere Ersatz der Kamerafahrt missverstandene Zoom, der heutzutage an den Fachhochschulen geradezu als Fehler verschrieen ist, erfüllt wie die Weitwinkelaufnahme (und manche Bildverzerrungen und Farbfilter) Francos Anliegen, das Bild noch artifizieller erscheinen zu lassen. Die „experienca audiovisual“, die Franco in „Paula-Paula“ vermitteln wollte, war schon immer eines seiner Ideale. Die Kameraarbeit betont sich selbst immer mehr: Zooms finden immer häufiger Verwendung (in ein- und derselben Einstellung zoomt er mitunter mehrfach vor und zurück), Weitwinkel werden immer stärker betont, indem Franco die Kamera vor einem Objekt in Großaufnahme kreisen lässt, hinter dem der Hintergrund gut sichtbar bleibt. Was 1974 in „La comtesse perverse“ hysterisch aufspielende Höhepunkte erreicht, klingt dann später in den 70er Jahren wieder ein bisschen ab. Ende der 90er Jahre sind es dann die einfachsten Mittel digitaler Bildverfremdung, mit denen Franco experimentiert. Es wird sich zeigen, ob diese momentan billig wirkende Ästhetik in späteren Jahren aus der zeitlichen Distanz heraus einen ähnlich kultigen Look erreichen wird, den heute Francos Zoom- & Weitwinkelexzesse besitzen.
Viertens: Cameoauftritte des Regisseurs. Ab Anfang, Mitte der 60er huscht Franco immer wieder durch seine eigenen Filme. Ein kleines Markenzeichen wie bei Hitchcock. War er zu Beginn häufiger bloß als Musiker (als Pianist in „Secreto del Dr. Orloff“, als Saxophonist in „Paroxismus“) ein Statist, so wurden später auch handlungsrelevante Nebenrollen daraus. Recht selbstreflexiv spielt er Voyeure in „La comtesse noire“ oder „Eugènie“, weit lieber scheinen ihm aber jene Rollen zu sein, in denen er als geistesschwacher Depp, als schmieriger oder erfolgloser Wicht im Kontrast zur schönen, starken Frau (meist Lina Romay) steht
Fünftens: Die Musen. Soledad Miranda und Lina Romay stellen wohl Francos größten Musen dar. Erstere tauchte schon kurz in „La Reina del Tabarín“ auf, arbeitete aber erst 1969 und 1970 wie am Fließband in sechs, sieben weiteren Francos mit (sechs Spielfilme, ein Kurzfilm), ehe ihr ein Autounfall kurz vor dem 28. Geburtstag das Leben kostete. Unvergessen bleibt sie als lesbische Vampirin in „Vampyros Lesbos“ und mordende Verführerin in „Sie tötete in Ekstase“. Nach ihrem Tod fand Franco in Lina Romay eine Nachfolgerin: er lernte sie als Darstellerin in seinem „La Maldición de Frankenstein“ kennen und besetzte sie fortan in einem Großteil seiner Filme – auch privat fanden beide zueinander und gaben dafür jeweils ihre bereits bestehenden Ehen auf. Neben diesen großen Damen des Francofilms gibt es noch die kleinen Musen: Janine Reynaud – keck und frech, sinnlich und stark; Maria Rohm – mal sadistische Täterin, mal Opfer (als zerbrechliches Opfer entfaltete die Ehefrau des Produzenten Towers am stärksten ihren sex appeal); Alice Arno & Monica Swinn – beide am überzeugendsten als genießende Sadistinnen und strenge Herrinnen; Katja Bienert & Susan Hemmingway – beide in der Regel die junge Unschuld; Ajita Wilson – die herrische, starke, dunkelhäutige, exotische Schönheit (als Mann geboren, als Transvestit zum Star avanciert, als Frau ein Star geblieben... Franco hat Wilson wie Soledad Miranda durch einen tödlichen Autounfall verloren als sie gerade 37 Jahre alt war); Pamela Stanford – die in blassen Rollen nicht recht zur Geltung kommende schlanke Schönheit hinterlässt zumindest in ihrer Rolle als grotesk geschminkter Succubus in „Les Possédées du diable“ nachhaltigen Eindruck; Montserrat Prous – hübsch und meistens faszinierend entrückt, seltsam unbeteiligt. Mittendrin noch Francos vorübergehende Lebensgefährtin Nicole Guettard und seine Stieftochter Caroline Rivière, die großen und kleinen Stars (Maria Schell, Brigitte Lahaie, Linnea Quigley, Michelle Bauer, Silvia Superstar) sowie all die im Grunde austauschbaren Modells, Playmates oder porno actrices: Ursula Buchfellner, Peggy Markoff, Karine Gambier, Kali Hansa, Nadine Pascal, Analía Ivars, Carmen Carrión usw. (...und in der Regel heißen sie Melissa, Lorna, Justine: Verknüpfungspunkte zwischen Francofilmen.) Hier zeigt sich dann wieder die kommerzielle Seite von Francos rebellischer Erotik: auch dass seine Partnerin Lina Romay mit zunehmendem Alter und Gewicht in den Filmen ab Ende der 90er langsam aber sicher durch etwas jüngere, schlankere Frauen (Carmen Montes, Fata Morgana, Rachel Sheppard, Paula Davis) ersetzt worden ist, macht auf die konventionellen und auch kommerziellen Aspekte aufmerksam, die Francos eigenwilliges Werk letztlich doch durchziehen.[16]


...Francophile...

In Frankreich mit seiner interessanten Filmlandschaft kann Franco einige Höhepunkte in seinem ?uvre verbuchen. Nach einer weitestgehend konventionell anmutendenden, aber insgesamt sehr soliden Phase unter Towers – mit dem ungewöhnlichen „Paroxismus“ als Höhepunkt – und einer eher trashigen Phase bei Artur Brauner[17] – mit dem kultigen „Vampyros Lesbos“ als Höhepunkt – folgt die künstlerisch recht unabhängige Phase in Frankreich. Für Franco, der 1970 in der liechtensteinischen Produktion „Les Cauchemars naissent la nuit“ die Tendenz aus „Necronomicon – Geträumte Sünden“ & „Paroxismus“ fortzusetzen trachtete (nämlich die Tendenz, Realität und Phantasie zu verwischen und narratives, lineares Kino zu umgehen), bot die französische Phase mehrfach Möglichkeiten, aus der Narration des konventionellen Kinos auszubrechen; sei es durch die Vermischung von Realität und Imagination, durch die Vermischung von Vergangenheit und Gegenwart, durch eine Erhöhung des Episodenhaften oder durch eine extreme Dehnung einzelner Momente im Fluss der Handlung.[18]
In dieser Phase entstehen Perlen wie „Le fille de Dracula“, „Le miroir obscene“, „Plaisir à trois“, „La comtesse perverse“ und „Les Possédées du diable“... und selbst etwas schwächere Filme dieser Phase sind – wie „Les dèmons“ (1972), „Christina, princesse de l'érotisme“, „La comtesse noire“ oder „L'Éventreur de Notre-Dame“ – durchaus noch reizvoll.[19]
„Les dèmons“, ist Francos Beitrag zur Hexenjäger- & Nunsploitation-Welle in den frühen 70ern. Hier gerät allerdings der antiklerikale Impetus etwas uneinheitlich, insofern Franco seinen Hexenjägern tatsächliche Hexen gegenüberstellt (welche allerdings als „Sklavinnen des Bösen“ trotz Teufelspakt auch nicht schädlicher auftreten als ihre Umgebung): herausgekommen ist daher ein äußerst lustvoller Protest gegen die Lustfeindlichkeit der Kirche, der sich aber mit seinen phantastischen Elementen unnötig verzettelt. Auf formaler Seite weisen die recht konventionelle Spannungsdramaturgie und die sehr sorgfältige Ausstattung die Vorzüge der Towers-Phase auf und verbinden sie mit den gestreckten, freizügigen und sinnlichen Erotikszenen des neueren Francos; ein Übergangswerk quasi, das aber kaum auf jene Qualitäten schließen lässt, die Franco in seinem französischen Zwischenspiel noch entwickeln sollte.
„Le fille de Dracula“ ist wie der etwa zeitgleich entstandene „Les dèmons“ noch ein wenig der Ästhetik der Towers-Phase verhaftet, kombiniert sie aber mit extremen Nah-Aufnahmen, mit Einstellungen, die durch spiegelnde Fensterscheiben hindurch auf ein Geschehen blicken lassen, mit hektischen Handkamerabewegungen durch Wälder im Herbst und sanften Schwenks über das rauschende Meer, mit unscharfen Bildern, einer stärkeren Betonung der Weitwinkelaufnahmen und einem deutlich angestiegenen Grad nackter Haut. Das Projekt, das quasi ganz nebenbei als Schnellschuss-Improvisation auf die etwas konventionelleren Streifen „La Maldición de Frankenstein“ und „Drácula contra Frankenstein“ entstanden ist, profitiert von der entsprechend freien, offenen Arbeitsweise, die sich von den intensiver durchgeplanten Vorgängern spürbar unterscheidet. Herausgekommen ist ein schillernder Mix aus klassischem Horrorfilm und Jean Rollin, eingefangen in Francos zoom- & weitwinkelreicher Kameraführung (und 30 Jahre später mit neuer Musik unterlegt).
„Christina, princesse de l'érotisme“ – für den Jean Rollin noch einige Zombie-Szenen beisteuerte – ist im Jahr darauf ein dem Gothic Horror verwandtes Gruselstück um eine junge Frau, die aufgrund einer Erbschaftsangelegenheit das Schloss ihres verstorbenen Vaters aufsucht; inmitten des abgelegenen, wild umwucherten Anwesens scheinen jedoch ganz eigene Regeln zu gelten: der Vater spukt als Geist umher, die Verwandschaft scheint nicht so recht von dieser Welt zu sein und einige Erotik- und Horrorszenen später wird der Protagonistin klar, dass eine obskure Königin der Nacht, mit der sich die Familie abgibt, nach ihrem Vater nun auch sie selbst ins Totenreich zu führen gedenkt. Es finden sich vereinzelt ein paar Geschmacklosigkeiten und Stilbrüche, die fremdartige, wahnhafte Atmosphäre, die über weite Strecken des Films besteht, entschädigt jedoch dafür. Charakteristisch für den Franco dieser Phase sind die langen Monologe, die hier die gemächlichen Autofahrten begleiten und recht angestrengt, aber nur bedingt erfolgreich eine elegische Stimmung zu erzeugen trachten.
Diese elegischen Autofahrten befinden sich im selben Jahr auch in „La comtesse noire“. Hier saugt Lina Romay als Gräfin Irina von Karnstein aus ihren männlichen Opfern nacheinander Sperma, Blut und Leben, macht sich allerdings auch über weibliche Opfer her. Während die Polizei in der daraufhin entstehenden Mordserie ermittelt, ist es Jess Franco höchstpersönlich, der einen Fall von Vampirismus vermutet. Letztlich stößt er aber nur noch auf die – nach einer einschneidenen Begegnung mit einem jungen Poeten – in ihrer Badewanne ihr Leben aushauchende Vampirin. Auch wenn der Film reich an Momenten schluderigen Handwerks ist – so rennt Romay einmal mit dem Kinn an die Kameralinse –, so gibt es doch „Szenen darin, die in ihrer Erotik geradezu unbeschreiblich sind und zu einem großen Teil auf der Ausstrahlung der nackten Lina Romay beruhen.“[20] Das Ganze lässt sich soft- oder hardcore-Version genießen.
Im selben Jahr entsteht mit „Le miroir obscene“ dann eines der kleinen Meisterwerke Francos: Je nach Version (es gibt eine spanische, eine französische und eine italienische) sieht sich die junge Protagonistin (Emma Cohen) nach dem (vor ihrer Hochzeit durchgeführten) Suizid des Vaters bzw. der Schwester von diesem/dieser über einen geheimnisvollen Spiegel heimgesucht und lässt sich in der Folge zu mehreren Morden verleiten. Der inzestuös aufgeladene Stoff ist dank Emma Cohens darstellerischer Leistung (womöglich Francos talentierteste weibliche Hauptrolle) und der vielschichtigen Symbolik des Spiegels ein durchaus komplexes psychologisches Drama über Verlust, Lust und Schuld, das zudem einmal mehr Schaulust, Projektion & Phantasie im Kino reflektiert. In „Paula-Paula“ wird Franco fast 40 Jahre später auch das Motiv des Spiegels erneut aufgreifen und auf seinen Kern zuspitzen.
„Plaisir à trois“ und „La comtesse perverse“ fallen – im Jahr darauf – in ihrer Narration wieder ein wenig konventioneller aus, besitzen aber hohe formale Qualitäten und stellen anregende Behandlungen des Sadismus dar: Beide Filme variieren de Sade und reichern ihre Geschichten mit deutlichen Bezügen auf den Horrorfilm der 30er Jahre an – einmal etwas beliebiger auf „Mystery of the Wax Museum“, einmal recht sinnvoll auf „The Most Dangerous Game“ – um im Fall von „Plaisir à trois“ eine recht konsequente und zugleich schwarzhumorige Schilderung einer wirklich sadistischen Dreiecksbeziehung zu liefern und im Fall von „La comtesse perverse“ eine Unterscheidung zwischen sadistischen und sadomasochistischen Gelüsten zu liefern. Besonders mit „La comtesse perverse“ gelingt Franco ein beachtlicher Höhepunkt seiner 70er Jahre Ästhetik: Mode, Architektur, Musik, Weitwinkelobjektive und flexible Kamerabewegungen machen aus dem Film ein hysterisch aufspielendes pièce de résistance in Francos ?uvre. Und wenn die Dramaturgie auch wieder eine Spur konventioneller gerät, so wird sie doch zumindest immer wieder von der Form an den Rand gedrängt.
„L'Éventreur de Notre-Dame“ ist ein kurioser kleiner Reißer, in dem Franco seinen Antiklerikalismus am weitesten treibt. Dieser hatte längst dazu geführt, dass die katholische Kirche Franco neben Bunuel als den gefährlichsten Filmemacher bezeichnete. Hier ist Franco (in einer seltenen Hauptrolle) ein lüsterner Ex-Priester mit Schuldgefühlen, der erst als Voyeur verdorbene Mädchen beobachtet, um diese anschließend für ihre Vergehen zu bestrafen. Neben kruden Splatterszenen und einigen (Gruppen-)Sexszenen gehören dann auch gerade jene Momente, in denen Franco in Kirchengewändern nackte Frauen fesselt und foltert, zu den denkwürdigsten des Films: während die Kameraarbeit (einmal mehr in extremen Weitwinkelaufnahmen) vergleichsweise ruhig und still anmutetet und die Musik sehr zurückhaltend eingespielt wird, sorgt Francos selbstironisches und provozierendes Spiel für die eigentlichen Highlights. Dass eines seiner Opfer von seiner Stieftochter Caroline Rivière verkörpert wird, lässt den Film nochmals eine Spur skandalöser wirken.
„Les Possédées du diable“ ist dann – kurz vor Francos umfangreicher, aber wenig befriedigender Zusammenarbeit mit Erwin C. Dietrich – einer seiner schönsten Filme: eine auf enthüllende Rückblenden setzende Geschichte lässt den Zuschauer lange Zeit im Unklaren über das, was eigentlich genau passiert, und zahlreiche in die Länge gedehnte Episoden stellen die jeweiligen Situationen in ihrer Sinnlichkeit über das Voranschreiten einer Geschichte, die zudem um eine inhaltlich eher unnötige Nebenhandlung ergänzt wird. Eine Geschichte gibt es aber dennoch, auch wenn sich beinahe die ersten zehn Minuten des Films zum schlichten, aber wundervollen musikalischen Leitmotiv einer zögerlichen Sexszene zwischen Pamela Stanford und Lina Romay widmen: Patrick Mariel hat einst aus der Not heraus einen Pakt mit einer Teufelin namens Lorna (Stanford) geschlossen... nun ist er zwar ein erfolgreicher Familienvater, die Tochter Linda (Romay) jedoch soll am 18. Geburtstag Lorna gehören. Patrick will seinen Teil des Vertrags nicht erfüllen – Howard Vernon schlägt ihn mit einem Muschelschlagring zusammen, seine Gattin wälzt sich kreischend durchs Bett, als aus dem Nichts kleine Krebse in ihrem Schambereich auftauchen. In einer Anstalt hat eine Wahnsinnige seltsame Anfälle und Patricks Tochter wird mehrfach von Lorna verführt, die ihr schließlich alles vom Pakt mit dem Vater erzählt. Dann eine Art Ende des ganzen Spuks: Patrick erschießt Lorna, zeitgleich verstirbt die wahnsinnige Anstaltsinsassin, in Tochter Linda lebt jedoch der Geist Lornas weiter und die Tochter ersticht den Vater. Eine Faust-Variation? Eine Huldigung töchterlichen Ungehorsams gegen die heterosexuelle Matrix verständnisloser Väter? Eine Parabel auf das Weiterleben der Toten im Gedächtnis der Lebenden? Ein rip-off von Friedkins „The Exorcist“? Oder von allem ein bisschen? Betörend schöne Drehorte mit einer dekorativen Architektur, die Franco auch dazu nutzt, um Zeitsprünge zu veranschaulichen, die Rolle des Meeres und des Blutes in dieser bizarren Liebesgeschichte zwischen Faust-Stoff, Vampirismus- & Besessenheitsgeschichte, die vollkommen entspannten Sexszenen zur einlullenden Musik de Nestles und Bénichous, das groteske Make-Up Lornas – „Les Possédées du diable“ ist ein bizarrer, poesievoller Franco und knapp hinter „Paroxismus“ einer seiner gelungensten Filme. Während in „Paroxismus“ jedoch eine bedeutungsschwangere Atmosphäre herrscht, die durch „Vertigo“-Anleihen, einige Monologe und die teilweise düsteren Ereignisse verursacht wird, dominiert in „Les Possédées du diable“ ein ganz leichtfüßiger Tonfall.


Im Gefängnis

Es folgen ab 1975 drei insgesamt doch eher enttäuschende Jahre. Mit seiner Arbeit für den Produzenten Dietrich setzt eine kurze Phase eines besonders kommerzorientierten Exploitationkinos ein: in seiner künstlerischen Entfaltung eingeengt, in den finanziellen Mitteln auf kleinem Fuße stehend, liefert Franco eher schwache Filme ab, die bei der Kritik noch zusätzlich auf Ablehnung stießen, weil seine sadomasochistischen Frauengefängnisfilme auf den ersten Blick (und bei einigen Kritikern offenbar auch auf den zweiten und dritten Blick) moralisch verwerflich anmuteten.
Von den 14, 15 Filmen, die Franco unter Dietrich gedreht hat, stellen fünf, sechs Filme relativ reine Frauengefängnisfilme dar; zwei, drei Filme stellen zumindest lose Variationen dieses Themas dar. Die restlichen Filme sind zumeist noch die gelungeneren und „Jack the Ripper – Der Dirnenmörder von London“ ist dann sogar ein kleiner Knaller: Mit Klaus Kinski und Herbert Fux prominent besetzt, garniert mit einigen Ekeleffekten, in den Nachtszenen durchaus stimmungsvoll, und bisweilen sogar ein wenig sensibel, ist Francos tragischer Thriller irgendwo zwischen herbem Trash, Kinskis enormer Präsenz, psychologischem Drama und plakativem Krimi angesiedelt: kein ambitioniertes Jess Franco-Kunstwerk, aber unter seinen konventionellen Genrefilmen einer der besten.
„Die Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne“ ist mit einigem Abstand ein weiteres kleines Highlight unter Francos Dietrich-Streifen: diese Neubearbeitung des Nunsploitation-Sektors reicht ausstattungs- und besetzungsmäßig keinesfalls an „Les dèmons“ oder die Historienfilme der Towers-Phase heran, schmückt aber seine platte Geschichte der jungen Unschuld, die von bösen Menschen, die Gutes heucheln, schlimm missbraucht wird, mit einigen denkwürdigen Einfällen aus. So erscheint bei einer Vergewaltigung im blasphemischen Nonnenkloster Herbert Fux als der Leibhaftige, ältere Nonnen streicheln ihre Brüste mit den Holzkreuzen, ein Beichtvater onaniert im Beichtstuhl – und in einem subliminalbildartigen Einschub, der den meisten Zensoren vermutlich entgangen sein dürfte, stellt Franco sogar einen Samenerguss in das Gesicht der 16jährigen Nonne nach. Ein recht geschmackloser Unterleibswitz von Film, routiniert umgesetzt und so ausufernd in seiner wild um sich tretenden Kirchenkritik, dass auch hier einige Unklarheiten der Aussage kaum ins Gewicht fallen.
Weniger beeindruckend fällt da eine andere Neuauflage eines bereits behandelten Themas aus: „Die Marquise von Sade“, vage auf Oscar Wilde zurückgehend (was den Alternativtitel „Das Bildnis der Doriana Gray“ erklärt), greift im Prinzip auf die Anstaltsepisode aus „Les Possédées du diable“ zurück. Hier nimmt diese weibliche Renfield-Geschichte eine besonders absurde Wendung: Doriana Gray saugt als Sexvampirin das Leben aus ihren Sexualpartnern, die vor Lust sterben – doch während sie dabei vollkommen unbefriedigt bleibt, bekommt ihre eingeschlossene, wahnsinnige Schwester einen Orgasmus nach dem anderen.
Neben dem furchtbar trägen „Der Ruf der blonden Göttin“ (1977) – eine Variation von Elementen aus „Necronomicon – Geträumte Sünde“ & „Les Cauchemars naissent la nuit“ in Form eines exotischen Voodoo-Erotikthrillers um Ausnutzung, Beeinflussung und Lenkung, die allerdings mit einer platinblonden Karine Gambier in hübsch exotischen Kulissen ein paar schwelgerische Schauwerte bietet –, der ulkigen Bordell-Klamotte „Mädchen im Nachtverkehr“ (1976) und dem Gangster-Sexklamauk „Downtown – Die nackten Puppen der Unterwelt“ (1975) sind es in dieser schweizer Phase aber eben die Frauengefängnisfilme, über die Franco sich in dieser Zeit definiert. Dass Franco im Rahmen seines Interesses für den Sadomasochismus neben gerissenen Detektivinnen, starken femme fatales und verführerischen Rächerinnen auch mehr und mehr die leidende Frau als Opfer sexuellen Missbrauchs in den Mittelpunkt rückte, brachte gerade in Verbindung mit diesen ziemlich gehaltlosen Gefängnisstreifen und deren Nummernrevue aus Sex- & Folterszenen den Vorwurf der Frauenfeindlichkeit mit sich. Doch lassen sich diese Streifen vom aufgeschlossenen Publikum auch anders betrachten: sofern nur bi- oder pansexuell genug, können Männer wie Frauen mit sadomasochistischen Phantasien jeder Art diese endlosen Missbrauchsphantasien (von Insassinnen durch eine Leiterin, ihren männlichen Partner und in der Regel männliche Wächter) durchaus genießend rezipieren – auch als masochistischer Mann kann man sich mit der gepeinigten Lina Romay (oder einem anderen weiblichen Opfer) identifizieren. Es bleibt jedoch der Kritikpunkt, dass Franco (eigenen Vorlieben oder denen des Publikums folgend) nahezu ausschließlich weibliche Opfer und ausschließlich weibliche Homoerotik in Szene setzt: das Bild wirkt sexistisch, auch wenn es sich durchaus anders genießen lässt... Dabei hat Francos Konzentration auf weibliche Opfer einen gar nicht uninteressanten Ursprung: seit seinen de Sade-Variationen ging es Franco immer auch ein wenig um unschuldige Frauen als Opfer männlicher Gewalt; dass sich unter den Tätern dann in der Regel immer auch mal weibliche Sadistinen befanden (meistens eine einzelne unter mehreren Männern), war dann der Versuch eines gleichberechtigten Bildes, der in letzter Konsequenz daran scheiterte, dass Franco auf männliche Opferrollen verzichtete. Es lässt sich wohl nicht vermeiden, dass – wenn sexuelle Begierde immer auch etwas damit zu tun hat, andere Subjekte als Objekte zu betrachten – der heterosexuelle Blick automatisch sexistisch anmuten muss. Wie auch immer man diese sexuellen Phantasien bewerten will, so muss man ihnen doch in der Regel eine spielerische Unernsthaftigkeit attestieren, die dem Ganzen dann die bloße Funktion einer Rollenspielphantasie zukommen lässt. Gerade „Das Frauengefängnis“ – formal und inhaltlich ein ziemlich minderwertiger Schnellschuss – bietet sich mit seinen leicht durchschaubaren Gewalt-Effekten und dem wenig realistischen Spiel der Figuren geradezu an, um sich mit all seinen Gewaltexzessen als sadomasochistische Rollenspielphantasie lesen zu lassen (in der Franco höchstselbst als Vater über seine Filmtochter Lina Romay herfällt): in einem kurzen Rollentausch zwischen Lageraufseherin und Insassin wird Franco besonders deutlich. Andere Vertreter machen es einem da bisweilen auch mal etwas schwerer... (Etwa „Frauen für Zellenblock 9“, in dem Howard Vernon in einer so zotigen, wie geschmacklosen Szene eine Ratte mittels Plexiglasröhre in die Vagina einer Insassin einführt.)
Immerhin: einen Film gibt es dann doch in dieser Phase, der als Frauengefängnisfilm-Variation männliche Opfer bietet und ganz nebenbei auch den männlichen Blick im Sex- & Erotikkino anspricht. „Das Frauenhaus“, ein Film in recht sterilen, uninteressanten Räumen, die durch knallige Farben und ein paar schräge Accessoires aufgepeppt werden, erzählt vom Sexclub Blue Rita, in dem die männlichen Opfer der Clubchefin eingesperrt und – ohne Möglichkeit zur ausreichenden Befriedigung – den heißen Sexshows der Mitarbeiterinnen und einem giftgrünen Aphrodisiakum ausgesetzt werden, bis sie bereit sind, umfangreiche Cheques auszustellen. Manchmal – so Francos Aussage – sitzt das Hirn Männer halt in ihrem Genitalbereich: davon profitiert dann auch der Sexfilm. Davon abgesehen ist diese bunte Popversion von D'Amatos „Emanuelle e Françoise le sorelline“ (1975) ein ziemlicher Nonsens.


Artcore!

Auf die schweizer Dietrich-Phase folgt eine Intensivierung seiner Zusammenarbeit mit dem Produzenten Daniel Lesoeur (Sohn von Marius Lesoeur, der ab 1962 beinahe drei Jahrzehnte lang immer wieder als Produzent des einen oder anderen Franco-Films in Erscheinung trat), eine kleine Reihe von Arbeiten für die österreichisch-deutsche Lisa Film GmbH und eine zunehmende Verlagerung seines Schaffens in sein Heimatland Spanien, das nach Francisco Francos Tod und mit der Entstehung einer Movida Madrileña für Franco wieder attraktiv geworden war. Es beginnt ein Abschnitt, in dem sich Sex und Gewalt in gesteigerter Form als Porno und Splatter finden lassen, in dem Franco aber zugleich wieder zur Umsetzung seiner künstlerischen Ambitionen zurückkehrt. Diese Ambition ist (spätestens) wieder ab 1980 mit „Sinfonía erótica“ wahrzunehmen und durchzieht einen Teil seiner folgenden spanischen Werke: etwa „Aberraciones sexuales de una mujer casada“ (1981), „Las Orgías inconfesables de Emmanuelle“ (1982), „Gemidos de placer“ oder „Macumba sexual“.
Zuvor bietet Franco krude Kost: „Les Gardiennes du penitencier“ (1979) ist ein in jeder Hinsicht misslungener Frauengefängnisfilm, für den Franco jedoch wenig kann, handelt es sich doch zu großen Teilen um einen Zusammenschnitt aus anderen Filmen, darunter Francos „Frauengefängnis“. Auch „Convoi de filles“ (1978) und „Justine“ (1979) stellen solche Zusammenschnitte dar: in letzterem kombiniert Joe D'Amato veröffentlichtes & unveröffentlichtes Material von Franco zu einem neuen Film. Völlig selbstständig ist dagegen Francos Arbeit an „La Chute de la maison Usher“, in dem er Poes Erzählung mit seiner eigenen Orloff-Figur vermischt und ausgiebig Szenes aus „Gritos en la noche“ einbindet. Trotz dieser Existenz als Flickwerk weist der Film vereinzelt ein paar lyrische Szenen auf, bleibt aber größtenteils unbefriedigend. Unter den eigenständigen Filmen ist „Cocktail spécial“ ein reichlich schluderig in Szene gesetzter Pornofilm mit Inzest- und Urophagieszenen – Handlung und Form sind gleichermaßen schwach und allenfalls die unverklemmte Kokketterie mit einigen Tabus bietet noch einige Vorzüge. „Mondo cannibale“ & „Jungfrau unter Kannibalen“ (1980) stellen Francos schlampigen Beiträge zur (von Lenzi und Deodato losgetretenen) Kannibalenfilmwelle dar, „Die Säge des Todes“ (1981) ist eine hierzulande wegen ihrer Beschlagnahmung berüchtigte Slashervariation (die man sich auch als Bravo-Fotoroman genehmigen konnte). Etwas stilvoller geben sich da „Die nackten Superhexen vom Rio Amore“ (1981) & „Sadomania – Hölle der Lust“ (1981): der erste Titel vereint etwas willkürlich den Bordellbetrieb einer sadistischen Menschenhändlerin, deren Gatte eines ihrer Opfer liebt, mit der eher zarten Liebesgeschichte eines Teenies; der zweite ist ein recht sorgfältig umgesetzter Frauengefängnisfilm mit einigen over the top-Klischees (die Insassinnen arbeiten in Hotpants und oben ohne im Steinbruch), einer skandalträchtigen Vergewaltigungsszene der Heldin durch einen Schäferhund (in Parallelmontage vermischt mit einem konventionellen Sexualakt und mechanischen Puppenspielen, an denen ein Walter Benjamin seine helle Freude gehabt hätte) und einem Speerkampf am Strand vor der untergehenden Sonne. Der Soundtrack, eine sehr sorgfältige Kameraführung, originelle Bildkompisitionen und eine beachtliche Leistung von Ajita Wilson in der weiblichen Schurkenrolle machen aus dem Film Francos wohl beste Arbeit für Lisa Film.
„Sinfonía erótica“ ist dagegen eine poesievolle de Sade-Variation zur Musik Franz Liszts: wie zuvor in „Plaisir à trois“ und wenig später in „Gemidos de placer“ baut er die de Bressac-Episode seines „Marquis de Sade: Justine“ zur eigenständigen Handlung aus, um ein verführerisches, sadistisches Intrigenspiel zu kreieren, in dem Franco sogar eine homosexuelle Fellationszene (die allerdings zwar erotisch, aber eben auch beunruhigend wirkt) und einige homosexuelle Streicheleinheiten unterbringt. Die Geschichte eines bisexuellen Teenagers und einer bisexuellen Nonne zwischen einem bisexuellen Ehepaar, in welchem es derartig kriselt, dass der Gatte seine Gattin zu ermorden trachtet, endet schließlich für nahezu jeden tödlich und auch der Mörder wird letztlich selbst ermordet; in schöner Ausstattung angesiedelt, gibt die Geschichte Franco reichlich Möglichkeiten, hübsche Garten- & Landschaftsaufnahmen und dekorativ eingerichtete Inneneinrichtungen bei Kerzenschein einzufangen. Und eine kleine Anspielung auf Mario Bava ist in der Erdolchung eines Liebespaares beim Liebesakt auch noch drin. „Gemidos de placer“ wandelt die Geschichte nochmals ab und reduziert sie weitestgehend auf die Erotikszenen, die in langen Einstellungen mit Schwenks und Zooms eingefangen werden. Etwas unsaubere, aber in ihrer Konzeption herausragende Kamerafahrten fangen zudem die wundervolle Architektur des Films ein und etablieren zudem bisweilen sehr beeindruckend die jeweiligen Charaktere. Alles im allem überwiegen jedoch elegische, verträumte Sexszenen in einer melancholisch anmutenden Rahmung: Francos letzte Schaffensperiode wird damit schon vorweggenommen.
„Las Orgías inconfesables de Emmanuelle“ ist dann wohl ein kleiner Höhepunkt unter Francos frühen 80er Jahre Werken: etwas humoristisch & zugleich ungewöhnlich sensibel spinnt er ein erotisches Beziehungsdrama über eine freizügige, lustvolle Frau und einen auf Würde und Anstand pochenden Mann zusammen, das auch durch die Vielzahl der erlesen ausgewählten Drehorte sehr ambitioniert wirkt. Selten waren Francos Filme in den letzten Jahren erotischer, zudem bietet der Film eine Reihe beeindruckender Episoden... etwa einen Besuch der Filmstar-Abteilung eines Wachsfigurenkabinetts, eine doppelte Sexszene am Ende, bei der die ungewöhnliche und hochwertige Innenarchitektur beinahe schon auf eine an Antonioni gemahnende Weise genutzt wird, und eine Vergewaltigung, die Franco ungewohnt ambivalent – nicht unproblematisch, aber glaubwürdig und verständnisvoll – umzusetzen versteht: auf die anfängliche Gegenwehr folgt ein kurzer Moment des Gefallens an dieser erfüllten Vergewaltigungsphantasie, auf welche hinterher aber wieder ein Gefühl der Leere, Scham und Unsicherheit folgt; wer Vergewaltigungsphantasien hat, verarbeitet eine Vergewaltigung in der Regel besonders schlecht. Im Prinzip lässt sich diese Szene als nachträgliche Rechtfertigung für die vielen Frauengefängnisfilme lesen: manche Phantasien wollen, sollen & müssen immer Phantasie bleiben. Vor allem aber ist es ein Film über den Selbstbetrug eines etwas heuchlerischen Mannes, der Frauen für Taten verurteilt, die er im Grunde selbst genießt, der bei sich ein Auge zudrückt, wo er bei anderen den Zeigefinger hebt. Der im Vorjahr entstandene „Aberraciones sexuales de una mujer casada“ erzählt eine ähnliche Geschichte unter anderen, eher biederen Vorzeichen – ein ungewöhnlich konservativer Franco mit reaktionärer Pointe; ein Mann, der die Promiskuität seiner freizügigen, bisexuellen Partnerin nicht ertragen kann, stellt sie – obwohl er sie über alles liebt – vor die Wahl: entweder er oder ihre Gelüste. Dass sie am Ende ihn wählt, liegt nicht zuletzt daran, dass ihr freizügiger Strip-Auftritt auf einer Party eine Vergewaltigung nach sich gezogen hat, die sie zur Reflexion ihres bisherigen Lebensstils gebracht hat. Die inhaltlich eher ärgerliche sowas-kommt-von-sowas-Moral, die dann auch noch die konventionelle, feste, heterosexuelle Zweierbeziehung über eine offene Sexualität stellt, geht aber einher mit einer völlig soliden formalen Qualität.
„Macumba Sexual“ ist eine auf Bram Stoker und Lewis Carroll anspielende Neuauflage von Francos Sexvampirfilmen wie „Vampyros Lesbos“ oder „La comtesse noire“ – wenngleich ohne Vampire: Ajita Wilson herrscht als exotische Schönheit Obongo über ihre Sexsklaven und auch die schöne Alice (Lina Romay), die ihr eigentlich bloß ein Haus in Atlantic City verkaufen wollte, gerät – inmitten von allerlei Fetischzauber – mehr und mehr in ihren Bann, wobei die Grenzen zwischen Realität und Traum immer stärker verwischen. Schöne Menschen in schönen Gebäuden in schönen Landschaften in schönen Farben: „Macumba Sexual“ ist ein ästhetizistischer Erotikstreifen, mehr phantastischer Film als Grusel- oder Horrorfilm.
In den weiteren Jahren ist Franco nach wie vor sehr produktiv und weitet zudem seine Arbeit in verschiedenen Genres immer weiter aus: neben den Erotik- & Sexfilmen und den Gruselfilmen & Horrorthrillern („La Chute de la maison Usher“, „La Mansión de los muertos vivientes“, „La Tumba de los Muertos Vivientes“ (1983), „Sola ante el terror“ (1986)) lassen sich auch Abenteuer- & Actionfilme („El Tesoro de la diosa blanca“ (1983), „Les Amazones du temple d'or“ (1985), der Bruce Lee – Pardon! – Bruce Lyn Streifen „La sombra del judoka contra el doctor Wong“ (1985), „Bangkok, cita con la muerte“ (1985), „Esclavas del crimen“ (1987), „Dark Mission: Flowers of Evil“ (1988), „La Bahía esmeralda“ (1989)), Kriegsfilme („La chute des aigles“ (1989)), quasi-Sci-Fi („El Sexo está loco“ (1981) und der nie aufgeführte „Sida, la peste del siglo XX“ (1986)) und Komödien („La chica de los labios rojos“ (1986)) finden... Und immer wieder auch zotige Pornofilme: neben „El chupete de Lulú“ (1985) und „El ojete de Lulú (1986) – in denen unter anderem Lina Romays Hintern von sexuellen Erlebnissen berichtet – wäre da noch „Falo Crest“ (1987), das vielleicht größte Kuriosum unter den Franco-Pornos. Als Parodie auf die US-Weinbauern-Seifenoper „Falcon Crest“ (1981) angelegt, berichtet der Filme von einer Weinbauernfamilie, die die gute Qualität ihrer Produkte über Sperma- & Urinbeigaben erzielt: neben inzestuösen Gags und einer (vermutlich gestellten) Koprophagieeinlage zählt noch ein Butler, der sich von einem Pudel oral stimulieren lässt, zu den denkwürdigen Ein- & Ausfällen dieses durchaus unverschämten Films. Obwohl Franco in den 80er vielfach über künstlerische Freiheiten verfügte, ist in diesem Jahrzehnt aber auch viel Ramsch entstanden: die Kluft zwischen guten und schlechten Filmen fällt in diesem Jahrzehnt besonders groß aus. „Les Amazones du temple d'or“ ist ein in jeder Hinsicht furchtbarer Abenteuerfilm, gefüllt mit grauenhaften Gags und wenig beeindruckenden Kulissen, „La Mansión de los muertos vivientes“ ist ein spannungsarmer Erotikgrusler, der auch formal wenig zu bieten hat und „Historia sexual de O“ ein zäher Erotikfilm, dessen billigen Effekte am Ende schon die Ästhetik der späten 90er & frühen 2000er Jahre heraufbeschwören.
Ende der 80er Jahre erfolgt nochmal eine unerwartete Wendung: Franco arbeitet nun in spanisch-französischen Produktionen wieder mit Stars (wenngleich diese sich nicht gerade auf ihren Karriere-Höhepunkten befunden haben). Christopher Lee („Dark Mission: Flowers of Evil“, „La chute des aigles“) und Fernando Rey („La Bahía esmeralda“) arbeiten erstmals seit mehreren Jahren wieder mit Franco zusammen – und besonders „Faceless“ ist 1988 hervorragend besetzt: In diesem splatterlastigen Thriller über einen Arzt, der mit der Hilfe eines einstigen Naziwissenschaftlers Gesichtstransplantationen an entführten Frauen durchführt, um seiner Geliebten das verunstaltete Gesicht zu ersetzen, spielen neben Helmut Berger, Telly Savalas und Stéphane Audran noch Brigitte Lahaie, Caroline Munro, Anton Diffring und ein letztes Mal für Franco, und zwar als Dr. Orloff: Howard Vernon. Weitestgehend hervorragende Trickeffekte, eine aufwändige Ausstattung und die hohe Anzahl an Stars machen aus „Faceless“ eine ungewöhnliche Ausnahme in Francos Spätwerk – wobei die persönliche Handschrift dementsprechend zu fehlen scheint und sich überwiegend in inhaltlichen Aspekten offenbart.


Der Orson Welles des Schmuddelfilms & der kleine Westentaschendeleuze

1992 setzt Franco dann mit „Don Quijote de Orson Welles“ ein unabgeschlossenes Welles-Projekt zu einem fertigen Film zusammen. Welles einstige Lebensgefährtin und Nachlassverwalterin Oja Kodar war mit dem Ergebnis nicht gerade zufrieden und auch jene Kritiker und Filmwissenschaftler, die in den Genuss kamen, von Welles angefertigte Rohschnittfassungen anzusehen, hatten für Francos Version wenig übrig. Dass sich Franco, der 1965 immerhin als second unit director für Welles arbeitete, hier überhoben hat, scheint offensichtlich: eine recht mittelmäßige Synchro, die Franco nach eigenem Drehbuch über stummgedrehtes Material legte, ist so unbefriedigend wie die schwachen Bearbeitungen des Bildmaterials und die Dramaturgie, die weder als Spielfilm, noch als Essayfilm, noch als Dokumentarfilm funktionieren mag. Man mag Franco immerhin zugutehalten, dass er sich an kein leichtes Unterfangen herangewagt hat: Welles Don Quijote-Projekt zog sich von 1955 bis in die Mitte der 80er Jahre hinein, immer wieder aus anderen Perspektiven erdacht und erweitert; um die Aktualität seiner Don Quijote-Version zu wahren, ging es zunächst darum, Bezüge zum franquistischen Spanien herzustellen, später aber auch darum, die Post-Franco-Ära einzufangen. Zuerst war ein 30minütiger Essayfilm für das Fernsehen geplant, später ein Spielfilm und letztlich wieder ein Essayfilm. Welles selbst hatte, aufgrund schlechter Erfahrungen mit Schnittfassungen seiner Filme durch allmächtige Produzenten, dafür gesorgt, dass das existierende Material ungeordnet und unverständlich anmuten musste und fünf Jahre nach seinem Tod sah sich Franco 1990 dem Problem ausgesetzt, dass er nicht die Rechte an dem gesamten Material des Don Quijote-Projekts besaß; dass Franco Material aus anderen Welles-Projekten und selbst gedrehte Einstellungen hinzugezogen hat, wurde dann allerdings nicht unbedingt als hilfreiche Lösung angesehen. Man muss sich wohl von dem Gedanken lösen, dass „Don Quijote de Orson Welles“ eine Rekonstruktion eines von Welles anvisierten Ideals darstellt, das er selbst nicht mehr umsetzen konnte: „Don Quijote de Orson Welles“ ist eher ein „Don Quijote de Orson Welles de Jess Franco“, der kaum Welles und kaum Franco bietet; ein unglücklicher Zwitter, nach dessen Betrachtung man allenfalls ahnen kann, was Welles im Sinn hatte – und nach der man nicht mal ahnen kann, was Franco eigentlich wollte. Interessant ist das Werk am ehesten als irritierend geordnete Materialsammlung für Welles-Fans.
Franco ist kein zweiter Welles und gerade sein „Don Quijote de Orson Welles“ bestätigt diesen Verdacht. Aber immerhin gelangt er in seinem Werk zu der von Welles so erbittert angestrebten, völligen künstlerischen Freiheit, die gerade im Spätwerk größer und größer wird, zugleich aber immer geringere Budgets und Mittel zur Verfügung hat. Die Filme entwickeln sich immer stärker in weitestgehend handlungsarme, fast schon handlungslose Sex-&-Sadomaso-Phantasmagorien, in denen Franco seine Visionen in Low- & No-Budgetstreifen umsetzt. Mitte der 1990er kommen noch halbwegs konventionell anmutende Genrefilme in einer direct to video-Ästhetik heraus – durchsetzt mit einigen typischen Francozismen –, ab 1998/1999 sind es dann vermehrt jene audiovisuellen Erfahrungen, deren Gipfelpunkt dann „Paula-Paula“ werden sollte. „Ciudad Baja (Downtown Heat)“ (1994) ist ein Früh-90er-Jahre-Billig-Actioner, dem es leider ein wenig an Dynamik fehlt, ohne dass Franco das durch eine poesievolle Gestaltung auszugleichen versucht; sehenswert ist allerdings der ungewöhnliche Auftritt von Lina Romay, die in dieser Form auch in einen „Mad Max“- oder „Escape from New York“-Streifen gepasst hätte. „Killer Barbys“ ist dann zwei Jahre darauf der Brückenschlag zwischen Francos 1962er Dr. Orloff-Mythos und dem Vampirfilm; wer nicht schon vorher gemerkt hat, dass beide Motive im Grunde bloß eines waren, bekommt es nun von Franco – deutlicher noch als in „La Chute de la maison Usher“ – unter die Nase gerieben: hier wie dort verleiben sich die einen Körper andere Körper ein, statt der Haut das Blut... und nicht mehr für die Schönheit allein, sondern für das Leben selbst. Der Film variiert „Countess Dracula“ (1971), Peter Sasdys Bathory-Aufarbeitung für die Hammer Studios, als quasi-Orloff-Vehikel – mit Unterstützung vom Fandom: Die Killer Barbies spielen in der Hauptrolle (sich selbst und) die Opfer des Barons von Fledermaus, der dringend Blut für seine uralte Gattin benötigt. Mit den Hauptdarstellern und ihrer Musik, den derben aber einfachen Splattereffekten und einer Portion Klamauk zielt der Film einerseits enorm in die Trash-Richtung – im Kontrast dazu jedoch steht eine melancholische Nostalgie, die sich in den klassischen Elementen des Bathory/Orloff/Vampir-Themas offenbart, welche sich teilweise an Jean Rollins ganz eigener Poesie orientieren (wenn hellrotes Blut im hellblauen Licht der Bilder fließt, wenn Zwergwüchsige als Begleiter der Vampire auftreten). Dieses Schwanken zwischen Melancholie, Nostalgie einerseits und Trash, Camp andererseits ist durchaus als Grabgesang des klassischen Horrorfilms zu verstehen: sowohl Rollins späten Vampirfilme (z.B. „La fiancée de Dracula“ (2002)) oder Mojica Marins späte Wiederblebung seines Zé do Caixao („Encarnação do Demônio“ (2008)) wirkten 30 bis 40 Jahre nach ihrer populären Phase seltsam anachronistisch. Konsequent wird Franco dann seinen späteren „Killer Barbies vs. Dracula“ mit dem Song „Der Graf“ von den Ärzten einleiten.
Nach einer neuen Variation von „The Most Dangerous Game“, nämlich dem unter line producer Christian Kessler entstandenen „Tender Flesh“ (1997), und nach dem Michelle Bauer & Linnea Quigley Trashfilm „Mari-Cookie and the Killer Tarantula“ (1998) legt Franco mit „Lust for Frankenstein“ und „Vampire Blues“ zwei Sex-Variationen des klassischen Horrors vor, mit denen er endgültig seinen digital video-Look der nächsten zehn Jahre etabliert. Beide Filme sind Reigen aus Nahaufnahmen, Zooms, Bäumen und Blättern, Wasser und Himmel, reflektierenden Oberflächen, nackter Haut, Vampirzähnen bzw. Kunstmensch-Nähten und Musik – und Franco nutzt ausgiebig die Möglichkeiten digitaler Effekte, wenn auch eher primitiv und schäbig anmutend. Es wirken diese Filme – etwas weniger das gendertheoretisch noch irgendwo interessante Bi-Sex-Frankenstein-Erotikdrama, um so stärker aber die „Vampyros Lesbos“-Neuauflage „Vampire Blues“ – wie ein abschließender Kommentar, eine Bilanz am allmählichen Ende einer langen Karriere: In „Vampire Blues“ wird die an Bataille gemahnende Verschränkung von Eros und Thanatos in Francos Filmen ebenso überdeutlich & verbal zur Sprache gebracht, wie auch das beständige Wieder-und-wieder-Behandeln von Themen und Geschichten.
Der Film spricht als Beginn vom Ende vom Lied eine deutliche Sprache (wenngleich das auch so ziemlich das einzig positive ist, was man von diesem Film sagen kann): Die ersten und letzten Seufzer der Vampirschönheit (wenngleich weniger schön als Francos Vampirschönheiten zwanzig, dreißig Jahre zuvor) scheinen sich auch auf das Werk des Maestros selbst zu beziehen: „Love means obsession, obsession means blood, blood means death... […] Death is the logical result of blood, of love...“ Was man bei der Lektüre von de Sade und Sacher-Masoch stets geahnt hat, was Spielrein, Freud, Marcuse oder Bataille direkt thematisiert haben: bei Franco war es stets zu finden und bekommt hier seine verbale Ausformulierung – zudem in einem Film, in dem nun wahrlich nicht viel geredet wird. (Und das bei Franco so häufig zentrale Blut wird auch gleich noch in seiner Bindeglied-Funktion erläutert.)
„The Song is almost over now,“ singt ein Sänger im Off, fängt dann aber doch immer wieder nochmals neu mit seinem Song an – das erscheint geradezu selbstironisch und charakterisiert im Grunde Francos filmisches Schaffen von (spätestens) den 1970ern (wenn nicht gar seit 1962) bis hin zu den 2010ern. Geschichten nochmals neu verfilmen, Themen in back to back-Produktionen variieren, Filme in zwei, drei Alternativfassungen vorzulegen, Filmmaterial in späteren Filmen erneut zu benutzen, Figuren, Schauspieler und Rollennamen repetitiv zu wiederholen: Francos Filme sind von so vielen Verknüpfungen durchzogen, dass sie als dichtes Gewebe eine einzige Einheit bilden. In einem von Andreas Bethmann angeregten Gespräch für dessen X-Rated-Lable spricht Franco im Hinblick auf „Vampire Blues“ davon, ein- & dasselbe nicht immer aus einer einzigen Sicht betrachten zu wollen – und greift zu einem hübschen Bild: es sei wie mit einem Diamanten, man brauche ihn nur ein wenig drehen, und schon ergeben sich ganz andere Eindrücke. Das ist deshalb ein sehr hübsches Bild, weil Franco – bewusst oder unbewusst (wohl eher unbewusst) – ein Bild aus der Filmtheorie heranzieht, das Deleuze in seinen wundervollen Kinobänden etabliert hat: das Kristallbild. Das Kristallbild ist bei Deleuze eine der Stufen, über die der Film aus dem klassischen sensomotorischen Schema auszubrechen vermag: es geht darum, Verhältnisse von Aktualität und Virtualität in Szene zu setzen, in denen letztere zu ihrem vollen Recht kommt – sie ist nicht mehr ein erklärbarer Ausbruch aus einer Handlung (wie z.B. die Rückblende), sondern steht im Extremfall im Zeichen der Ununterscheidbarkeit, wie etwa die Bilder des Spiegelkabinett-Finales in Orson Welles „The Lady from Shanghai“ (1947). Im Zusammenhang mit dem Kristallbild sind es gerade Motive des Spiegelbildes, die Deleuze als Beispiele heranzieht; im Endeffekt kommt Deleuze jedoch über das Kristallbild zur kristallinen Betrachtung, also dem Spiel der Virtualitäten eines Robbe-Grillet (mit dem Franco ja einiges gemeinsam hat, wie eingangs erwähnt). Dieses Spiel der Virtualitäten spielt auch Franco immer wieder, wenn in „Necronomicon – Geträumte Sünden“ oder in „Paroxismus“ die Grenzen von Realität und Imagination, von wahr und falsch verwischen. Die kristalline Betrachtung durchzieht Francos Filme bis zu „Paula-Paula“, Spiegelbilder als Kristallbilder par excellance finden sich überdeutlich als zentrale Motive in „Le miroir obscene“ und „Paula-Paula“. Und in Francos Tendenz, seine Filme als Variationen und Variationen von Variationen anzulegen, beinahe 200 Filme lang Bezüge herzustellen und Grenzen zu verwischen, bildet sein ?uvre letztlich eine Einheit, die – wie Franco es formuliert – durch einen immer wieder neu gedrehten Diamanten betrachtet wird. Und diese verwischten, zerfließenden Grenzen, dieses Verlangen, die Mannigfaltigkeit zur Einheit zu verschmelzen, lassen sich ihrerseits auch wieder auf das Motiv des Wassers mit seinen fluiden Strukturen beziehen, das – wie dargelegt – zu Francos bedeutungsschwangeren Leitmotiven zählt... ein Motiv, welches ebenfalls von großer Bedeutung in Deleuzes Filmtheorie ist: als Motiv einer flüssigen Wahrnehmung nämlich, die durch ein Verschwinden von Fixpunkten charakterisiert ist. Das Wasser, das bei Franco so oft auf Tod & Eros anspielt, scheint vor dem Hintergrund des freien Spiels mit immer wieder neu variierten Leitmotiven noch bedeutungsreicher zu sein...
Elf Jahre und zwölf Filme (von denen „Vampire Junction“ (2001) noch am erträglichsten ist) später ist dann „Paula-Paula“ der Gipfelpunkt von Francos Variationen: Hier verschmilzt und verschwimmt im Rausch von Liebe und Tod alles miteinander, hier spiegelt sich alles so, wie der Film selbst andere Francos spiegelt – etwa „Necronomicon – Geträumte Sünden“, dessen (wenn man so will) Schlüsselmonolog Franco hier übernimmt. Im Titel spiegeln sich schon die Hauptfiguren, von denen man immer weniger erfährt, ob sie nun eine oder zwei sind... Uneindeutigkeit dominiert hier in Kaleidoskopbildern und reflektierenden, knitterigen Aluminiumfolienhintergründen – und über allem liegt ein delirierender Gulda-Score... Friedrich Gulda ist dieser Film auch gewidmet, der zugleich Francos letzte Zusammenarbeit mit Lina Romay darstellt, die ein knappes Jahr vor Franco verschieden ist.
Es folgten noch drei Filme: „La cripta de las condenadas“ (2012) & „La cripta de las condenadas II“ (2012) – beides Zusammenschnitte aus seinem bald dreistündigen „La Cripta de las mujeres malditas“ (2008) mit neuem Material –, sowie „Al Pereira vs. the Alligator Ladies“ (2012), in dem Franco ein weiteres Mal nach „Paula-Paula“ mit HD-Technik arbeitet und ein letztes Mal zur Al-Pereira-Figur zurückkehrt, die er mit „La muerte silba un blues“ und „Cartes sur table“ aufgegriffen und fortan immer wieder mal eingesetzt hat – ab den 80ern immer wieder mit Antonio Mayans in dieser Rolle, die er hier ein letztes Mal für Franco spielt.


Ein Trostpflaster am Ende

Franco ist tot: Aber bei seinem ungeheuerlichen Output sind viele seiner rund 200 Filme noch zu entdecken – und womöglich tauchen ja auch die verschollenen Franco-Filme „Sex Charade“ (1969) & „Sida, la peste del siglo XX“ (1986) wieder auf... eventuell wird irgendwer auch seinen unvollendeten „The Gold Bug“ (1993) zugänglich machen. Franco, der in den 60er Jahren noch das Lob von Orson Welles & Fritz Lang und das Interesse von Luis Bunuel auf sich zog, um Ende der 70er Jahre viele Bewunderer wieder zu verlieren, hat an seinem Lebensende mit der Verleihung des Ehrengoyas und einer Retrospektive der cinémathèque française schließlich doch noch große Anerkennung gefunden, die sich seit wenigen Jahren auch in Form einer Welle liebevoller DVD-Editionen ausdrückt.
Dass man wohl sein ganzes Leben benötigt, um wirklich jeden Franco zu sichten, tröstet doch ein bisschen über seinen Verlust hinweg: so bleibt er quasi lebendig und man lernt (womöglich bis zum eigenen Lebensende) immer wieder neue Seiten von ihm kennen. Zudem wird man ja auch bei jedem zweiten Franco daran erinnert, dass ihm der Tod eh bloß als phantastischer Begleiter von inniger Liebe und sexueller Ekstase erschienen ist... Francos Horror- und Sexfilm-Religion außerhalb der Kirche: auch das ein Trost.


1.) Tatjana Pavloviv: Despotic Bodies and Transgressive Bodies. Spanish Culture from Francisco Franco to Jesús Franco. University of New York 2003; S. 2.
2.) Wobei diese Einstufung mit Vorsicht zu genießen ist; je nachdem, wo man die Grenzen für das Genre ansetzt, mag man auch Edgar Nevilles „La Torre de los siete jorobados“ (1944) als ersten spanischen Horrorfilm ansehen. Indes: erst Francos Beitrag hat den Horrorfilm wirklich als Genre in der spanischen Filmindustrie verankert.
3.) Carlos Aguilar: Der schreckliche Dr. Orloff. In: Ursula Vossen (Hg.): Filmgenres – Horrorfilm. Reclam 2004. S. 165.
4.) Natürlich: hier – und auch schon in „Gritos en la noche“ – ist man mit zwei Versionen aufgetreten: in Spanien und einigen anderen Ländern lief die weniger offensiv erotische, die weniger grausame Version, in anderen Ländern die erotischere, grausamere Fassung.
5.) Lexikon des internationalen Films. Rowohlt 1987; S. 1969.
6.) Filmdienst. Zitiert nach: Ronald M. Hahn, Volker Jansen: Lexikon des Science Fiction Films. Heyne 1997; S. 504.
7.) Orson Welles soll von diesen Kriminalfilmen so angetan gewesen sein, dass er Franco für seinen „Campanadas a medianoche“ (1966) als Regieassistenten heranzog. Vgl. den Artikel von Stephan Oberparleiter im Booklet zur Subkultur-DVD von Francos „Miss Muerte“.
8.) Eine eindrucksvolle Darstellung von Francos Schwierigkeiten mit der Zensur befindet sich in Danny Shipkas „Perverse Titillation. The Exploitation Cinema of Italy, Spain and France, 1960-1980“ (McFarland 2011; 179-212).
9.) Angestoßen wurden diese Überlegungen vermutlich von Jonathan Rosenbaum, der „Dracula as an implicit stand-in for the generalissimo“ ( http://www.jonathanrosenbaum.com/?p=5812 ) bezeichnete.
10.) Tatjana Pavloviv: Despotic Bodies and Transgressive Bodies. S. 3.
11.) Ärgerlich nicht bloß wegen manch schlampigen Effekten, mit denen Franco das Material von Welles bearbeitet (für den er seinerzeit bei „Campanadas a medianoche“ (1965) als second unit director arbeitete), sondern vor allem auch deshalb, weil Oja Kodar, die den Nachlass von Welles verwaltet, nach dieser enttäuschenden Leistung übervorsichtig auftritt, wenn es darum geht, Welles unvollendetes Werk aufzubereiten und zugänglich zu machen.
12.) „The Blood of Fu Manchu“, „Der heiße Tod“, „The Torture Chamber of Fu Manchu“, „Die sieben Männer der Sumuru“, „Eugenie“, „Marquis de Sade: Justine“ (1969), „Il Trono di fuoco“ (1969), „Paroxismus“ und „El Conde Dracula“.
13.) Bloß eine Auswahl wahrlich aussagekräftiger Titel: „Frauengefängnis“, „Die Slavinnen“ (1976), „Frauen im Liebeslager“ (1976), „Die teuflischen Schwestern“ (1976), „Jack the Ripper – Der Dirnenmörder von London“ (1976), „Greta – Haus ohne Männer“ (1977), „Die Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne“, „Frauen fü Zellenblock 9“ (1977), „Frauen ohne Unschuld“ (1977), „Das Frauenhaus“ (1977).
14.) Auch der Vampirismus ist ein Motiv, das nach bloßen Anspielungen in „Vampiresas 1930“ ab „El Conde Dracula“ zum Standard-Thema Francos zählen sollte. Vampirismus und psychic link werden bei Franco nahezu gleichbedeutend verwendet: die Vampire besitzen hypnotische Kräfte, psychic links stellen immer auch eine Art Geistesvampirismus dar; etliche seiner Filme verwischen die Grenzen zwischen beiden Motiven mit einiger Vehemenz.
15.) Thomas Groh formulierte das so: „Jess Franco, freier Jess: Free Jazz.“ (http://www.taz.de/Zum-Tod-Jess-Francos/!113928/).
16.) Dass Francos Frauenfiguren trotz der großen Bandbreite von der femininen, schüchternen Schönheit bis hin zur selbstbewussten, starken Frau, vom schwachen Opfer bis zu herrischen Sadistin reichen, kann nicht verschleiern, dass diese Figuren immer auch stereotype Männerphantasien sind; und weil es nicht nur weit weniger männliche Figuren gibt, die auf eine erotische Austrahlung angelegt sind (manchmal Vernons herrische Sadisten, ein sinnlicher Kinski in „Paroxismus“, ein so femininer, wie strenger Jack Taylor und natürlich Robert Woods), sondern weil Franco ständig lesbischen Sex inszeniert, aber kaum jemals schwulen Sex (Schwule gibt er eher mal als verweichlichte Kuriositäten der Lächerlichkeit preis), bekommen Francos Sexphantasien trotz starker Frauen, Auslotung der Grenzen gesellschaftlicher Toleranz und einer bevorzugt lächerlichen Selbstdarstellung eigener Cameoauftritte auch wieder einen unschönen Beigeschmack.
17.) Neben den Bryan Edgar Wallace-Verfilmungen, „Vampyros Lesbos“, „Sie tötete in Ekstase“ und „La Venganza del Doctor Mabuse“ gehören noch der für Franco eher unübliche Abenteuerstreifen „Vuelo al infierno“ (1971), „Jungfrauen-Report“ (1972) und die furchtbar peinliche Robinsonade „Robinson und seine wilden Sklavinnen“ (1971) in die Brauner-Phase. Herrschte bei Towers vor allem ein etwas kitschiges Schwelgen in Landschaften, Kostümen und sorgsam ausgesuchten Kulissen, die als Schauwerte und Sensationen (neben Stars wie Christopher Lee, Klaus Kinski, Herbert Lom, Akim Tamiroff, Maria Schell, Herbert Fux und Marie („Inga“) Liljedahl) in diesen mitunter recht exotischen Ausstattungsfilmen dienen konnten, so wirken die Filme der Brauner-Phase in ihren Schauwerten kleiner, etwas weniger eindrucksvoll – wenngleich „Vampyros Lesbos“ und „Sie tötete in Ekstase“ mit ihren reichhaltigen Beispielen der frühen 70er Jahre Mode ganz eigene Reize bergen –, dafür aber auch etwas lebhafter: In den Brauner-Streifen beschränken sich die Stars auf Francos ständige Begleiter (also Howard Vernon, Soledad Miranda, Paul Muller und mit Einschränkungen noch Jack Taylor) und kleinere Namen (etwa einen jungen Horst Tappert, einen gealterten Dennis Price); und anstelle einer schwelgerischen Ausstattungsfilm-Ästhetik herrscht nun viel eher die Dynamik des Trashkinos, die sich in häufigen Stimmungswechseln ebenso zeigt wie in der flexiblen Kameraführung, der Montage, der Musik- und Geräuschkulisse: kleineren Budgets begegnet Franco mit zunehmender Verspieltheit.
18.) Ausgerechnet das vielgelobte Erotikdrama „Le Journal intime d'une nymphomane“ (1973) bleibt mit seinen vielen Rückblenden dramaturgisch reichlich konventionell (und gerät stellenweise auch noch furchtbar klischeelastig); „Le miroir obscene“ und „Les Possédées du diable“ gehen viel weiter, gerade weil sie als phantastische Filme in ihrer Verknüpfung von Vergangenem und Gegenwärtigem, von Tatsächlichem und Imaginärem von den Regeln der Logik befreit sind.
19.) Natürlich gab es aber auch in dieser Phase die bei Franco eigentlich obligatorischen Ausfälle: „Tendre et perverse Emanuelle“ (1973) ist ein etwas fantasieloses, fades Sex & Crime Drama, „Maciste contre la reine des Amazones“ (1973) ist eine peinliche Sexklamotte im Abenteuergewand, „Célestine... bonne à tout faire“ (1974) ist ein recht alberner Klamaukfilm ohne größere formale Qualitäten – es ist halt „schwierig, sorgfältig zu arbeiten, wenn man mehrere Filme in einigen Tagen dreht.“ (Jess Franco, zitiert nach: Leo Phelix, Rolf Thissen: Pioniere und Prominente des modernen Sexfilms. Goldmann 1983; S. 40).
20.) Phelix, Thissen: Pioniere und Prominente des modernen Sexfilms. S. 51.